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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
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Muttermal war jedes Mal deutlich zu erkennen.«
    »Gah!«
    »Gah?«
    »Ein Ausruf, verdammt noch mal! Ein Ausruf der Verzweiflung!«
    »Er ist auch auf einigen der Kunstwerke zu sehen, die von der Kirche beschlagnahmt wurden. Sie befinden sich in den Kellergewölben des Schlosses, wenn du sie näher betrachten möchtest.«
    »Ein höchst willkommener Tipp. Das war sarkastisch gemeint. Nun lass mich endlich in Ruhe mit dieser verdammten Ähnlichkeit … hör zu, kein Wort davon zu Julius! Kein Wort! Das Ganze ist ein Omen . Im Ernst. Deshalb kein Wort!« Das Schloss ragte düster vor ihnen auf. Alles war in das fahlgrüne Licht des Traums getaucht. Torak warf einen letzten Blick zu dem Eisennetz hinauf, als sie die Zugbrücke erreichten. Funken sprühten, die Energie knisterte und ließ ihm die Haare zu Berge stehen. Der Traum hatte sich natürlich noch nicht aufgelöst. Der alte Mann stand wie zuvor lautlos schreiend in einem brodelnden Meer, obwohl die Szene allmählich unscharf wurde. Bald würden sich alle Einzelheiten verwischen, wenn der Traum in den obersten Gemächern des Schlosses verarbeitet und das weiße Licht daraus gewonnen wurde, das Torak in einem kleinen Glasflakon mit sich führte, jene Leuchtflüssigkeit, die er nach Aden geworfen hatte. Sie war das Blut der Welt, das wie in das Wurzelgeflecht von Bäumen in ein weitverzweigtes unterirdisches Netz von Adern floss und auf diese Weise die Realität von Nightfall nährte und aufrechterhielt.
    Die beiden Posten an der Zugbrücke schliefen. Er stand mit zuckenden Händen vor ihnen. Es gab keine Gefahren, vor denen sie die Brücke schützen mussten. Es gab genau genommen nicht die geringste Notwendigkeit für solche Posten, aber es war der Sinn einer Zugbrücke, bewacht zu werden. »Frechheit!«, schrie er. »Äh – doch wohl eher Faulheit! Ihr Schweine! Ihr schnarchenden Schweine!« Einer von ihnen rollte sich furzend auf den Bauch. Torak biss sich auf die Fingerknöchel, als er an ihnen vorbeiging.
    Die Luft im Innern des Schlosses vibrierte so stark von der Lebensenergie der Welt, dass ihr Summen Toraks Schritte auf den weißen Steinböden übertönte. Wo das unheimlich grüne Leuchten durch die Fenster einfiel, huschten Schatten über die hohen Wände. Es war ein Labyrinth, das Schloss, ein Gewirr aus Gemächern, Gängen und Geheimkammern. Viele existierten nur des Nachts und verschwanden am Tage, wenn das Schloss mit gewaltigem Knirschen schrumpfte und die Räume wie bei einem Erdbeben erschütterte.
    Er erklomm eine Stiege, die von Wandfackeln erhellt wurde, und kramte mit seinen knochigen Fingern alle Taschen nach einem Bund Messingschlüssel durch. Er öffnete die Tür mit der aufgemalten Uhr. (Dahinter befand sich einer der Räume, die am Tage verschwanden.) Eine weiße Marmorsäule, eingebettet in den nackten Steinboden, trug eine Uhr von der Größe eines Speisetellers. Die Obsidian-Zeiger standen still. Torak drehte gereizt an einem seitlich vorstehenden Griff. Ein schwaches melodisches Tick-tack-tick erklang, als sich das Räderwerk der Uhr wieder in Bewegung setzte: Die Zeiger rückten vor, die Nacht schritt voran wie gewohnt. Noch blieben viele Stunden. Die Schläfer würden weder den kurzen Stillstand noch das Weiterwandern der Zeit bemerken.
    Nachdem der Ratgeber des Herzogs die Tür des Uhrenzimmers versperrt hatte, nahm er seinen Weg über Treppen und durch Korridore, vorbei an dem Stockwerk, in dem sabbernd und schnarchend der Herzog schlief. Mit einem höhnischen Grinsen und einem leisen Schauder schlich er an den Gemächern von Slythe vorbei – an Slythe, dem Meuchelmörder, der seine Räume selbst tagsüber verdunkelte, obwohl er niemals schlief. Noch höher hinauf stieg Torak, in das oberste Gemach, wo ein grelles Leuchten die Umrisse der Tür markierte, die niemand außer ihm öffnen durfte. Ein halbes Dutzend Schlüssel schepperten und klirrten, ehe die schwere Tür aufschwang.
    Ein gigantischer Trichter aus unzerbrechlichem Glas ragte von der Decke in eine Kammer, die teils aus Metall und teils aus Glas bestand. Das Licht in dieser Kammer zuckte und wand sich wie ein Blitz, der sich in einem Netz verfangen hatte. Die Kammer dröhnte und wummerte im Rhythmus eines schlagenden Herzens. Hier wurde der Traum in seine Bestandteile zerlegt, verarbeitet, umgewandelt. Ein Strom flüssigen Lichts ergoss sich durch Rohre in Bottiche. Alles war in Ordnung.
    Dann jedoch fiel ihm etwas ins Auge. Er sog die Luft scharf durch die Zähne ein.

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