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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
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bannen versuchte, oder enthielten sie eine echte Botschaft?
    Es gibt noch einen wie uns, hatte sie gesagt. Ließ sich daraus folgern, dass sie einiges über Slythe wusste? Über seine seltsame Geburt? Behauptete sie damit nicht, dass ihre und seine Herkunft die gleiche war? Er hatte noch mehr von Muses Schöpfungen gekannt. Alle waren tot. Sie machte ihn neugierig … aber womöglich bezweckte sie genau das. Sie würde es gewiss nicht wagen, ihn anzugreifen. Das brächte sie in Lebensgefahr … aber ein Mangel an Respekt wäre absolut tödlich. In Bedrängnis fühlte sie sich jedenfalls nicht; sie war freiwillig in seinem Blickfeld geblieben, wirkte in gewisser Weise unerschrocken. Das gefiel ihm nicht.
    »Geh zurück zu den anderen«, sagte sie. »Bitte!« Traurig, ihre Stimme. Gut! Das Messer fiel ihm aus der Hand und bohrte sich neben seinem Fuß ins Erdreich. Er starrte es verblüfft an. Hätte es ihn auch nur geritzt, wäre er jetzt gelähmt! Sie hätte die Klinge an sich nehmen und ihm die Kehle durchschneiden können!
    Ein zweites Messer glitt in seine andere Hand, schwerer diesmal als sein Vorgänger und nicht vergiftet. Der Arm des Meuchelmörders fuhr abwärts und nach hinten. Die Klinge war so schnell, dass der Blick ihr nicht zu folgen vermochte. Sie schrammte dicht über dem sichtbaren Teil ihrer Schulter vorbei und bohrte sich zitternd in einen Baumstamm vor ihrem Gesicht. Für Slythe verlangsamte sich die Zeit. Er sah den Flug des Messers auf seiner genau berechneten Bahn, sah, wie es sich drehte und eine einzelne Haarsträhne durchtrennte, die ihr auf die Schulter hing. Das Pfeifen dicht an ihrem Ohr musste ein schreckliches Geräusch gewesen sein. Er achtete genau auf ihre Reaktion. Sie zuckte kurz zusammen und sog hörbar die Luft ein.
    Die Aura, die sie umgab, loderte gleißend hell auf. Er blinzelte zweimal, und sie war verschwunden. Sie hatte die Flucht ergriffen.
    Konnte es sein, dass sie seine Botschaft missverstanden hatte? Sie würde über sein Verhalten nachdenken und es begreifen.
    Slythe wandte sich ab und schlenderte zur Straße zurück. Zu seiner eigenen Verblüffung flammte plötzlich Zorn in ihm auf, wie ein im Dunkel angeriebenes Streichholz, um gleich darauf wieder zu erlöschen, als hätte ihn ein kalter Windstoß ausgeblasen. Er rief sich ihre Erscheinung, wer und was immer sie sein mochte, noch einmal ins Gedächtnis. Er erinnerte sich an ihr Zusammenzucken und das hörbare Einatmen, als das Messer vorbeiflog, und fand die Bilder unbeschreiblich exquisit.
    Weiter rollte der Wagen des Herzogs. Mit ausladenden Gesten belehrte der Herzog Raydon über die tieferen Einsichten in die Dichtkunst. »Für euch Anfänger ist der Reim der Schlüssel, Ray. Ihr müsst erst mal gründlich das Handwerk des Reimens erlernen, ehe ihr davon Abstand nehmen könnt. Danach gilt es, von Zeit zu Zeit zum Reimen zurückzukehren, um euch zu vergewissern, dass ihr die Grundlagen dieser Kunst nicht verlernt habt. Denn der Reim ist oft freundlich zu euch. Seht also zu, dass ihr nicht sein Missfallen , sondern sein Wohlgefallen erregt!« Julius war so überwältigt von der Brillanz seines Vortrags, dass ihm einen Moment lang die Luft wegblieb. »Ray! Schreib das sofort nieder! Am besten unter der Rubrik … Lebenslektionen.«
    Raydon kratzte pflichtschuldig mit seinem abgebrochenen Federkiel über das Papier und fügte die Worte des Herzogs an eine lange Litanei ähnlicher Zitate. Er sehnte inständig einen Themenwechsel herbei. »Gab es Ärger im Wald, Slythe?«, erkundigte er sich.
    »Nein«, entgegnete Slythe, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
    Die nächste halbe Wegmeile legten sie schweigend zurück. Plötzlich sagte Julius: »Ray, mir kam da eben ein Gedanke!«
    »Jul… Euer Gnaden?«
    »Ha, du hattest deine Strafe fast vergessen!«, rief Julius. »Du wolltest ›Julius‹ sagen. Und – so, jetzt hast du mich rausgebracht!«
    Raydon stöhnte innerlich. »Verzeihung, Euer Gnaden.«
    »Was heißt da Verzeihung!«, fauchte Julius und schwenkte verärgert seine Toga. »Mir reicht es allmählich. Dauernd passieren dir solche Sachen. Mir kommt ein Gedanke, und dann machst du dein schreckliches Froschmaul auf und quakst mir dazwischen und …« Seine Hände imitierten das Flattern von Vogelschwingen. »Verdammt noch mal, Raydon! Du bist ein solcher Rohling ! Dieser Gedanke, der mir vorhin kam … halt, warte mal, da ist er wieder, und … oh, verdammt, jetzt ist er endgültig weg! Der Tod soll dich

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