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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
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Gesellschaft herankommt. Erinnerst du dich, Ray? Erinnerst du dich noch an meine vernichtende Kritik an der Gesellschaft?«
    »Gewiss! Sie war ungeheuerlich«, sagte Raydon erleichtert und blätterte in seiner Chronik zurück. »Denkt nur, Ihr habt sie mit einem Schweinestall verglichen, Julius! Ich habe noch nie so kraftvolle …«
    »Für die nächste Stunde dieser Ausfahrt bin ich ›Euer Gnaden‹«, unterbrach ihn Julius und betrachtete aufmerksam einen Fingernagel. »Die Verzögerung, du verstehst? Die Verzögerung beim Vorlesen meiner tiefgründigen Bemerkung. Sie hat mir missfallen. Sie hat mich aufgeregt. Also – Schluss mit Julius! So darfst du mich erst wieder nennen, wenn du es verdienst. Ab jetzt bin ich ›Euer Gnaden‹ für dich.«
    Raydon sog an seinen Zähnen. Er wurde puterrot. Der Tag war für ihn gelaufen.
    Der Wagen rollte weiter, vorbei an sanften Hängen und Wäldchen, durch deren Blattwerk goldenes Sonnenlicht sickerte. Slythe ließ seine Blicke über die Bäume hinwegschweifen, denn er spürte, dass sie von dort her etwas beobachtete, und den Dorfbewohnern war die Jagd in dieser Gegend strikt verboten. Aus dem Augenwinkel sah er einen hellen Schein, ein weißes Licht, das einen Moment lang aufflackerte. Es war nicht das erste Mal, dass er dieses Phänomen bemerkte. Hier bist du also, dachte Slythe. Du kommst ganz schön weit herum.
    Der Meuchelmörder streckte sich, stand auf und sagte: »Verzeihung, Euer Gnaden.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang er zu Boden und ging mit geschmeidigen Schritten auf die Bäume zu, während der Wagen langsamer wurde und stehen blieb. Der Gang des Meuchelmörders wirkte so entspannt und lässig, dass es verblüffte, wie schnell er den Grashang vor dem Waldrand überquerte. Seine Blicke huschten über die Eichen- und Eukalyptusstämme und wählten dann einen festen Ausschnitt, in dem er trotz des dichten Laubs jeden Hauch einer Bewegung erkennen würde. Ein Schatten tanzte über einen der halb verdeckten Stämme weiter hinten. Wieder schimmerte das weiße Licht auf, das ihm seit Jahren immer wieder flüchtig begegnete.
    Ein Messer glitt aus einer Ärmelschlaufe in seine Hand. Die Klinge war mit einem Gift bestrichen, das nicht tötete, sondern das Opfer eine Weile lähmte. Slythe verdrängte jeden bewussten Gedanken aus seinem Gehirn. Er bestand jetzt nur noch aus seinen Instinkten und Sinnen: Sehschärfe, Kraft, Geruch, Gehör und Zeitgefühl. Letzteres war für ihn ebenso konkret wie die anderen Sinne, etwas, mit dem er spielen, das er dehnen und raffen konnte.
    Er spähte an den Bäumen vorbei, die den Saum des Wäldchens bildeten, und sah sie weiter hinten stehen, ein Schatten, der mit einem Stamm verschmolz. Ein gestreifter Ärmel und eine zarte, runde Schulter, auf der eine Haarsträhne lag – alles vollkommen reglos. Die Muster ihres Gewands ließen seinen Atem stocken: Solche Farben verlieh die Natur nur ihren tödlichsten Dingen, als Warnung für alle Geschöpfe, sich von ihnen fernzuhalten. Slythe holte mit dem Arm nach hinten aus. Das Messer vibrierte in seiner Hand, machte sich bereit, in die schlanke Schulter zu fahren und die weiche Haut zu durchbohren. Aber er zögerte, und der schwache Schimmer, der von ihr ausgegangen war, loderte mit einem Mal auf und erhellte die ganze Umgebung. Er spürte, wie eine fremde Macht versuchte, seinen Geist zu beherrschen; er beobachtete sie, erprobte, ob er ihrer Verlockung gewachsen war. Ja, ich spüre ihre Macht – aber ich kann sie jederzeit abwehren. Also werde ich zulassen, dass sie mich noch stärker umklammert, und selbst den richtigen Augenblick wählen, um mich von ihr loszureißen.
    Dann sprach sie zu ihm: »Wir müssen miteinander reden, ein anderes Mal. Es gibt noch einen wie uns. Sein Name ist Aden. Wir müssen über sie reden und was sie in den Wäldern treibt. Sie ist dabei, die Welt zu zerstören. Geh jetzt zurück. Wir werden miteinander reden, wenn ich sicher bin, dass du mein Leben nicht in Gefahr bringst. Noch hege ich meine Zweifel.«
    Slythe kämpfte stärker gegen ihre Macht an, da ihre Stimme nun die Verlockung steigerte. Er genoss das Ringen, genoss die Spannung, die sich in seinem Innern aufbaute … und schüttelte dann ihren Einfluss mit einem Ruck ab.
    Er wirbelte das Messer hoch in die Luft und fing es am Griff wieder auf. Er war bereit, es nach ihr zu schleudern, aber dann kam ihm in den Sinn, was sie gesagt hatte. Waren ihre Worte Teil des Zaubers, mit dem sie ihn zu

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