Intrusion
bleichen Gesicht, die Brille saß schief auf seiner Nase, und die Augen, kaum einen Fingerbreit vom Boden entfernt, blinzelten verwirrt in die Welt.
»Zu langsam, Ray, diese Fortbewegungsart!«, schnarrte Julius. »Alles andere als zügig. Dürfen uns nicht überholen … das dürfen nur Wagenräder. Schwung, das ist es, was wir suchen, aber da unten kriegst du kein’ Schwung. Oh, mein dummes Gackerhuhn, was hast du mir heute nur eingeflößt? Meine Sterne, diese gekörnten Lichter. Meine Sterne, sage ich!« Panik erfasste ihn. »Slythe! Slythe! Slythe, sage ich!«
»Euer ehrwürdiger Gnaden?«
»Slythe, sage ich, bin ich immer noch ein Herzog? Ich frage das, weil ich mich im Moment mehr wie ein Gockel fühle. Mich gelüstet plötzlich nach Körnern. Aber mein Schnabel ist trocken und leer.« Er entfernte sich taumelnd vom Wagen, mit den angewinkelten Armen auf und ab schlagend und den Kopf so weit in den Nacken geworfen, dass sich seine weiße Kehle dem Himmel entgegenwölbte. »Kikerikiii!«, kreischte er, bis sein Adamsapfel auf und ab hüpfte. Dann krümmte sich sein Körper nach vorn, und der Kopf vollführte so heftige Pickbewegungen, dass die sorgfältig drapierten Lockenkaskaden flogen.
»Hierher, Euer Gnaden!« Slythe schwang sich über die Bordwand, packte Julius an der Schulter und dirigierte ihn zurück zum Wagen. Raydon fiel nach vorn und blieb reglos liegen, das Gesicht in den Straßenschmutz gepresst. Slythe schubste Julius zum Wagen hin, zerrte Raydon an einem Arm und der Unterhose hoch und warf ihn wie einen nassen Sack auf die weichen Ledersitze. Speichel tropfte dem Philosophen und Geschichtsschreiber vom Kinn, und er rang mühsam nach Luft, als er auf den Bauch klatschte und zu Boden rollte. Ein schwaches Knacken deutete an, dass irgendein Knochen zu Bruch gegangen war. Etwas sanfter hob Slythe Julius auf die Plattform.
Julius ließ einen Wind streichen. Er umklammerte das Geländer wie ein Ertrinkender und glitt langsam zu Boden, wobei die Toga nach oben rutschte und seine schwabbeligen lilienweißen Schenkel freigab. Er spitzte die Lippen, fuchtelte mit den Fingern vor seinem Gesicht hin und her und betrachtete sie kichernd. »Funkle, funkle, kleine Hand! Oh, diese komischen Lichter, wie sie tanzen, ohne Sinn und Zweck.« Sein Blick erfasste Aden. »Du hast mir kein einziges Mal Körner gestreut, nicht mal, als ich Happy Sally war und du das Heu ausbreiten musstest.« Seine Stimme nahm einen grollenden Ton an. »Ich bin sehr böse auf dich !«
Julius kam schwankend auf die Beine. Der Wagen rollte langsam den Weg entlang. »Körner«, murmelte der Herzog mit der schwerfälligen Aggressivität des Betrunkenen. Wieder furzte er, kam ins Stolpern und hielt sich verzweifelt am gläsernen Schutzgeländer fest. »Nicht so … nicht so schnell … Kikerikiii! Slythe, die Welt schaukelt vorbei, ein Ort der Bewegung.«
»Ja, Euer Gnaden. Wir suchen nach einer Unterkunft. Ich schätze, die Dosis gegen Eure Kopfschmerzen war diesmal unvernünftig hoch.«
»BIN ICH DER HERZOG?«, kreischte Julius. In der Ferne begannen Vögel zu zetern, aufgescheucht von seiner lauten Stimme.
»Der seid Ihr in der Tat, Euer Gnaden.«
»Dann erteile ich die Befehle, du dummes Gackerhuhn. Ich sage … ich sage, dass wir unverzüglich nach einer Unterkunft suchen, da ich eine zu hohe Dosis meiner Medizin eingenommen habe und … oh, süßes Picken und Glucken, was ist mit Ray geschehen? Ich kannte ihn mal, vor langer Zeit, aber er hat sich so sehr verändert.«
Raydon hing halb über dem Geländer, die Unterhose um die Knie gewickelt, und rieb sein Glied gegen das rötlich schimmernde Glas. Seine Brille baumelte an einem Ohr, und die weit aufgerissenen Augen verliehen dem Akt eine absurde Feierlichkeit. Julius torkelte an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken, und riss ihn versehentlich zu Boden. Noch im Fallen kreiste Raydons Becken weiter, ohne aus dem Rhythmus zu geraten. Julius baute sich schwankend vor Aden auf. »Ich erinnere mich an dich, du schönes Kind«, murmelte er. »Du bist erwachsen geworden ohne meine Erlaubnis. Bewahr dir die Jugend. Kein Geschwätz. Würde. Das Allerwichtigste. Du hübscher Pudel du, mit deiner tiefen Stimme. Jemand hat gelogen . Was ist mit deiner Hochzeitsnacht … Treue geschworen … am Morgen gehenkt … der Würde wegen. Das Allerwichtigste.« Julius wischte sich einen Speichelfaden vom Mund. Zu seiner Verblüffung blieb ihm die Spucke an den Fingerspitzen hängen. Mit einem
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