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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
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will sehen, ob sie Wurzeln schlagen und erhalten bleiben. Das ist alles, was sie tut. Deine Existenz entspringt mehr oder weniger dem Zufall. So malte sie beispielsweise vor Jahrhunderten einen Herzog und stellte die Leinwand in einen Raum mit vielen anderen Bildern, vielen anderen Möglichkeiten. Und eines Tages entschied die Welt, dass ein Herzog gebraucht wurde. Also blieb die Rolle des Herzogs, selbst nachdem der ursprüngliche Herzog gestorben war. Ein neuer wurde ins Dasein gerufen. Deshalb existierst auch du. Wenn du stirbst und die Welt entscheidet, dass deine Rolle gebraucht wird, ersetzt dich ein anderer. Das ist nichts Besonderes. Du existierst durch die plötzliche Laune einer Göttin.«
    »Komische Göttin«, meinte Aden. »Sie sah aus wie eine Lehrerin.«
    »Sie existiert seit Anbeginn der Schöpfung«, sagte Slythe. »Sie ist ein Glied des Weltenmachers, ein Teil von ihm.« Slythe sprach leise. Seine Stimme klang wie das Rascheln von Blättern, und seine Lippen bewegten sich, als kaute er auf den Wörtern herum. »Du bist ein besonderes Geschöpf. Wie ich. Wir besonderen Geschöpfe sind alle ihr Werk. Wir stechen unter den übrigen Gemälden hervor, wir sind Farben, die ins Auge fallen. Wir sind selten. Alle anderen sind nur Recyclingmasse in der gleichen historischen Rolle, unfähig, sich aus eigener Kraft zu verändern. Das gilt weder für dich noch für mich. Vielleicht bist du ein Schauspieler auf der großen Weltbühne, einer, der die Geschichte neu schreibt. Oder vielleicht stirbst du schon heute, und kein Hahn kräht nach dir.«
    »Aha! Und was willst du damit sagen? Dass ich ein Gott bin oder was?«
    »Nein. Du gehörst einer anderen Spezies an als der Rest, das ist alles. Einer anderen Spezies als die Horden, die den Fußspuren ihrer Vorfahren folgen, die auf den gleichen ausgetretenen Wegen dahintrotten und das gleiche dumme Geschwätz von sich geben. Sie sind bewegliche Teile, Kulisse, surrende, klackende Getrieberädchen, die ineinandergreifen, jedes an seinem vorgesehenen Platz, jedes austauschbar. Du dagegen unterscheidest dich von ihnen, bist vielleicht sogar einmalig, und sei es nur deiner Wahnvorstellungen wegen.«
    Aden lachte und ließ sich tief in den weichen Ledersitz zurücksinken. »Ich weiß genau, was ich bin.«
    »Tatsächlich?«
    »Als ich heute Morgen durch die Wälder streifte, zog ich zwei Schlussfolgerungen. Erstens, ich bin ein Dreckskerl. Der letzte Abschaum. Ein Feigling. Was immer mich dazu brachte, aus dem Leben zu scheiden, ich hinterließ eine breite Spur von Kummer und Leid, nur weil alles ein bisschen zu viel für den armen kleinen Aden war. Zweitens schmerzten meine Füße, und ich schenkte diesem Schmerz mehr Beachtung als der Spur von Kummer und Leid, die ich in meinem früheren Dasein hinterließ.«
    »Es gibt kein ›früheres Dasein‹.«
    Aden funkelte ihn wütend an. »Es gibt kein Hier . Hör mir jetzt mal genau zu, ja? Ich bin nicht real. Genau so wenig wie du. Aber ich war real. Und ich habe eine kleine Info für dich. Es ist alles nur Theater. Verstehst du? Das hier ist ein Theaterstück. Du bist eine Figur, eine Rolle. Es gibt dich nicht wirklich.«
    »Du leidest an Wahnvorstellungen.«
    »Ich leide an Wahnvorstellungen? Ich bin eine Wahnvorstellung. Ich sehe mich durch die Augen eines anderen, obwohl ich wirklich hier zu sein scheine.« Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Brust. »Du hast nur in einem Punkt recht: Ich habe den gleichen Ursprung wie du. Wir haben den gleichen Ursprung wie diese Kirche oder der Felsen dort drüben oder die falschen Sterne am Himmel. Aber damit hört die Ähnlichkeit auch schon auf. Ich war real. Du nicht. Niemals.«
    »Und welche Erinnerungen hast du an dein reales früheres Dasein, Aden?« Aden gab keine Antwort. Der Meuchelmörder lächelte. »Erzähl mir von deinem Großvater! Erzähl mir, was du noch über ihn weißt!«
    »Nein. Hör zu! Die Welt hier ist … irgendwie nur ein Theaterstück. Okay? Dir erscheint sie real. Himmel, selbst mir erscheint sie ziemlich real. Aber wir können die Realität nicht beeinflussen, nicht die wahre Realität. Ebenso wenig wie Schachfiguren irgendwelche Ereignisse außerhalb des Schachbretts beeinflussen können.«
    »Können sie das nicht?«
    »Nein! Du behauptest im Grunde, dass es hier Königinnen, Läufer und Bauern gibt und dass du ein sehr wichtiger Turm bist. Gratulation! Aber wie lange wird es dauern, bis jemand das ganze Schachbrett umwirft? Wenn die Welt hier

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