Intrusion
Aufschrei schleuderte er sie von sich. »Außerdem«, fuhr er fort, »habe ich ein Geheimnis, das ich später enthüllen werde. Im Moment bin ich Roger Rooster, der geile Gockel. Ich muss Körner haben.« Er bekam einen Schluckauf und drehte eine von Adens Handflächen nach oben.
Aden ballte die freie Hand zur Faust und holte aus, um sie dem Herzog ins Gesicht zu schmettern. Slythe schaute ihn warnend an und legte einen Finger auf die Lippen. Schsch! Julius ging in die Hocke, einen Arm angewinkelt wie einen verkrüppelten Flügel, und reckte den Hals wie ein Huhn. »Tock, tock!«, sagte er und pickte unsichtbare Körner von Adens Handfläche. Ein Klecks Spucke blieb zurück. »Keine Nährstoffe!«, kreischte er. »Keine … Vitamine , du verdammtes notleidendes Federvieh! Weh dir, weh dir, weh weh weh … Ich sage, Slythe, wir sind stehen geblieben und bewegen uns nicht mehr. Das scheint mir ein Widerspruch zu sein.«
Der Wagen hielt vor einem zweistöckigen, aus Holz errichteten Bauernhof. Dahinter breiteten sich Weizen- und Maisfelder aus. In der Luft hing der Geruch von Dung und frisch gepflügter Erde. Jemand hatte draußen auf den Feldern ein Kreuz errichtet, an dem eine Vogelscheuche aus Stroh hing. Ihr Kopf hob sich kaum merklich, als starrte sie dem Wagen entgegen, und sackte dann wieder auf die Brust.
Die Finger des Herzogs krümmten sich wie Klauen und fuhren zuckend durch die Luft. Sein Körper vollführte die ruckartigen Bewegungen eines Huhns bei der Futtersuche. Die perfekt geformten Lippen hingen an den Mundwinkeln nach unten, verliehen ihm einen irren, bösartigen Gesichtsausdruck. Er sprang von der Plattform herunter und schoss wie ein Raubvogel auf den Vordereingang des Farmhauses zu.
Slythe beobachtete Julius belustigt und gespannt zugleich. »Verschwinde«, sagte er zu Aden. »Wir reden ein anderes Mal weiter.« Aber Aden blieb, gebannt von dem absonderlichen Gang des Herzogs, von dem Gefühl, dass in diesem Gang eine mörderische Absicht zutage trat. Die Tür ging auf. Ein schlicht gekleidetes Paar mittleren Alters erschien und beobachtete die in eine Toga gehüllte Erscheinung, die durch ihren Vorgarten näher stakste, mit starrem Blick und Pupillen, die sich abwechselnd weiteten und verengten. Zwei kleine Jungen spähten an den Beinen ihrer Eltern vorbei. »Kikerikiii!«, kreischte ihnen Julius entgegen. Die Mutter drehte sich um und schickte die Kleinen weg.
Der Vater trat über die Schwelle, warf einen unsicheren Blick auf Slythe, nahm den Strohhut vom Kopf und verbeugte sich tief. »Edler Herzog, der Segen der Kirche ruhe auf Euch und Euren Begleitern. Was verschafft uns die hohe Ehre Eures Besuchs?«
Julius erreichte die Schwelle des Hauses. »Keine Vitamine bei dem da«, polterte er und pickte wie ein Huhn in Adens Richtung. »Slythe, du warst bisher mein Kampfhund, aber ab jetzt nenne ich dich meine Rechte Faust. Wenn ich ›Tock, tock!‹ rufe, sollst du töten, Slythe! Vitamine! Ernte mein Korn, Rechte Faust! Los, beweg dich!«
Der Hausherr warf einen unsicheren Blick von Julius zu Slythe. Er gab seiner Frau einen Wink, die Tür zu schließen. Ein Riegel schnappte ein. Die Miene des Farmers wirkte resigniert, als er auf den Gartenweg hinaustrat. »Edler Herzog, Sir, ich weiß, dass Ihr nur scherzt. Vergesst das Töten, es wird keine Probleme geben. Ich bin gern bereit, Euch eine Mahlzeit anzubieten und ein Bett zu richten …«
»Ich will sie nicht in meinem Haus haben«, sagte die Frau mit weinerlicher Stimme hinter der verschlossenen Tür.
»Sei du still!«, rief der Mann.
»Er ist betrunken, wenn nicht mehr. Du kennst die Geschichten, die über ihn im Umlauf sind. Was er alles anrichtet, wenn er betrunken ist …«
»Still!« Das klang so scharf wie ein Peitschenhieb.
Slythe wandte sich Aden zu. »Ich sagte dir, dass du verschwinden sollst. Geh endlich!«
Aden schaute ihm in die Augen. »Tu’s nicht!«
Slythe sprang zu Boden und schlenderte auf den Herzog zu. Dann blieb er stehen, drehte sich um und musterte Aden. Sein Lächeln kehrte zurück. »Ah, eine Frage noch. Können Schatten sterben?«
Aden hielt seinem Blick stand, blieb jedoch stumm.
»Bist du bereit, Rechte Faust?«, johlte Julius.
»Ja, Euer Gnaden.« Wieder wandte er sich an Aden. »Es wird Zeit, dass du mir zeigst, was in dir steckt. Welche Talente? Welche magischen Kräfte? Du hast dich vorhin zurückgehalten, stimmt’s? Zeig jetzt, was du kannst!«
Julius johlte, zog die angewinkelten Arme über
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