Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
Vom Netzwerk:
ein Traum ist, wird mein Großvater eines Tages aufwachen. Oder sterben. Und wenn sie real ist …« Er lehnte sich zurück und presste beide Hände gegen die Schläfen. »Verdammte Scheiße! Nein! Sie kann nicht real sein.«
    Slythe blickte zum Kirchenfenster, als sich erneut ein Vorhang bewegte. »Ich weiß nichts von der ›realen‹ Welt, die durch dein Gehirn spukt. Ich versuche dir dabei zu helfen, deine Gedanken zu ordnen. Also, pass auf! Es gibt drei Arten von Geschöpfen. Charaktere auf der Bühne, wie mich. Sie können die Geschichte der Welt verändern. Selten, diese Leute! Dann gibt es die Statisten, die eng auf ihre Rollen beschränkt sind, deren Handeln genau vorherbestimmt ist. Die Dorfbewohner etwa. Sie bilden den Hintergrund. Die Requisiten. Und schließlich die besonders raren Hüter des Ganzen, die Götter und Göttinnen. Sie sind Teil des Weltenmachers. Wie Muse und zwei andere, die ich kenne. Du hältst dich für einen von ihnen.«
    Aden lachte wieder. »Hör mal, ich bin nicht mehr als die Ausgeburt einer fremden Fantasie. Vielleicht sogar eine Ausgeburt meiner eigenen Fantasie. Oder eine Erinnerung, okay? Oder …« Er setzte sich kerzengerade hin. Als wäre ihm eben eine große Erkenntnis gekommen. »Ich habe keine echten Erinnerungen. Nur Vermutungen. Ich weiß nichts über mein vergangenes Leben. Mit einer Ausnahme: Ich entsinne mich an alle Besuche bei meinem Opa. Warum?«
    Slythe schien seine Worte nicht aufzunehmen. Einen Moment lang hatte er Aden offenbar völlig vergessen. »Du behauptest, ein Traum verändere nichts außerhalb seiner eigenen Grenzen«, murmelte er vor sich hin. »Aber was passiert, wenn er beim Erwachen im Gedächtnis bleibt? Oder was passiert, wenn eine Geschichte erzählt wird? Dann können diese unwirklichen Dinge den Ablauf der Wirklichkeit verändern – im Kleinen oder im Großen.«
    Aden schenkte dem Meuchelmörder ein warmes Lächeln. »Hör genau zu, was ich dir jetzt sage: Worin immer deine Rolle besteht, du weißt nicht, was du bist. Du bist ein Fantasiegebilde. Ein Schatten. Nicht real.«
    »Nicht real«, wiederholte Slythe nachdenklich. Etwas blitzte in seinen Zügen auf, ein Funke, der sich bald in kühlen, dunklen Tiefen verlor. »Pass auf: Wenn ich nicht bin und du nicht bist, heißt das doch ohne jeden Zweifel, dass es in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort eine Realität gibt. Oder? Hier, in dieser Zeit und an diesem Ort, sind wir unwirkliche Wesen … Schatten? Reflexionen? Abbildungen? Verzerrte Abbildungen?« Der Meuchelmörder musterte ihn. »Schau«, sagte er. Er stützte die Rechte mit der Innenfläche nach oben auf sein Knie, und einen Moment lang sah es so aus, als wollte er Aden die Hand reichen. Aden setzte sich stirnrunzelnd auf, verwirrt von dem Gedanken, dass ihm Slythe seine Freundschaft anbot. Er schickte sich an, den Arm auszustrecken, als der Meuchelmörder sein Handgelenk blitzschnell zur Seite drehte. Etwas glitt aus seinem Ärmel – ein zehn Zentimeter langer Stahlstift, der im hellen Licht des Frühnachmittags schimmerte.
    Aden lehnte sich wieder zurück. Eine tiefe Erschöpfung erfasste ihn und drückte ihn nieder. »Nun mach schon!«, sagte er. »Los!«
    Slythe runzelte die Stirn. Die Lachfältchen, die seine Augen und Wangen umspielten, wirkten gütig, väterlich. Er hielt den Pfeil mit abgewandter Spitze dicht vor Adens Gesicht. Ein winziger Tropfen klarer Flüssigkeit zitterte am Ende der feinen Nadel. »Siehst du das? Gift, gemolken aus den Drüsen der gebänderten Todesotter, die in den Schotterebenen des Valley of War beheimatet ist. Ich spürte ihnen eine Zeit lang nach und beobachtete, wie sie ihre Beute töteten. Die Natur hat sie mit roten und gelben Bändern ausgestattet, die nachts leuchten, um all jene Geschöpfe zu warnen, die Augen und eine Spur von Vernunft besitzen.«
    Die kleine Flüssigkeitsperle auf der Pfeilspitze fand ihre Parallele in einer Träne, die im Augenwinkel des Meuchelmörders hing und jeden Moment über seine Wange rollen konnte. Sein Gesicht erschien jetzt wie eine kantige Maske, hinter der sich ein schmerzhaftes Anti -Licht verbarg. Aden brauchte seine ganze Kraft, um den Blick nicht abzuwenden. »Die Schlange stößt weit unten zu«, fuhr Slythe fort, »und sie ist unglaublich schnell. Du siehst einen leuchtenden Strich auf dein Schienbein oder Knie zuschießen. Dann kommt der Schmerz, und alles ist vorbei. Sie beißt nur ein einziges Mal. Die Wilden nennen sie die

Weitere Kostenlose Bücher