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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
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›Hexenschlange‹. Einer Legende nach spie einst eine Todesotter von der Größe eines Flusses alles Dunkel in die Welt. Davor, so heißt es, gab es keine Nacht. Der Gifttropfen, der hier auf meiner Pfeilspitze zittert wie ein lebendiges Wesen, tötet das Opfer auf der Stelle. Das geht so rasch, dass du keinen Schrei hörst. Warum der Weltenmacher einer solchen Kreatur erlaubt, über den Bauch der Schöpfung zu kriechen, vermag ich ebenso wenig zu sagen wie du.«
    Aden starrte die reglose Pfeilspitze in der Hand des Meuchelmörders an. Unwillkürlich schlug sein Herz schneller. Slythe musterte ihn mit leicht gerunzelter Stirn. »Was denkst du jetzt, Enkel des Weltenmachers? Dass dies hier nicht real ist?« Slythe wandte den Blick von Aden und von der Pfeilspitze ab. »Ach ja, wir sind Schatten einer anderen Zeit und einer anderen Welt. Verzerrte Reflexionen fremder Kräfte. Nun, welche Rolle spielst du wohl, Aden? Und welche ist mir zugedacht?« Das Lächeln des Meuchelmörders verschwand. Sein Gesicht verwandelte sich in eine düstere Todesmaske. Und doch wirkte seine Handbewegung so beiläufig, als schnippte er einen Zigarettenstummel zu Boden. Licht brach sich an den Kanten des Pfeils, als er einmal um seine Achse wirbelte und gleich darauf Adens Haut ritzte.
    Aden warf sich mit einem Aufschrei gegen die Rückenlehne seines Sitzes und umklammerte den Pfeil, der aus seinem Schienbein ragte.
    Die schwache Erschütterung, die seinen Körper durchlief, und ein breites Lächeln waren die einzigen Hinweise, dass Slythe lachte. Ein paar Sekunden lang beobachtete er, wie Aden das Hosenbein nach oben rollte und die Haut um den winzigen Einstich zusammendrückte, um das Gift herauszupressen.
    »Wasser«, sagte Slythe.
    Aden erstarrte. »Was?«
    »Wasser. Vielleicht noch eine Spur Seife. Das hier ist ein Instrument, mit dem ich einige meiner Waffen reinige. Es gibt keine gebänderte Todesottern.«
    Aden klappte den Mund auf und brachte ihn nicht mehr zu. Dann griff er an. Mit geballten Fäusten schnellte er von seinem Sitz hoch. Planlos. Slythe beugte sich vor, grub ihm eine Hand in den Solarplexus, packte ihn mit der anderen an einer Schulter und schleuderte ihn lässig über die seitliche Bordwand des Wagens. Der Junge landete schmerzverkrümmt, in sich zusammengerollt, auf dem Boden, Gras und Sand zwischen den Zähnen. Slythe streckte sich wie zuvor sein Gegenüber der Länge nach auf dem Ledersitz aus, schlug die Beine übereinander und schloss mit einem Lächeln die Augen. Aden umklammerte stöhnend die Schulter, auf die er gestürzt war. Dann zog er sich mühsam wieder auf den Wagen. Ohne die Augen aufzuschlagen, sagte Slythe: »Deine Prellungen sind nicht real!«
    »Schon begriffen«, murmelte Aden, dehnte die Halsmuskeln und massierte seine Schulter.
    Slythe schaute ihn an und lachte laut und herzlich. »Aber nur, weil ich deinen Verstand über das Schienbein angesteuert und so deinen Dickschädel umgangen habe!«
    Ein paar Minuten später tauchte der Herzog aus dem Gebäude auf, angekündigt durch ein tierisches Geheul, das sehr echt klang und sich stetig steigerte. Slythe setzte sich auf, musterte Aden, als hätte er dessen Anwesenheit völlig vergessen, und sagte: »Hör zu! Julius hat jede Menge Chemie eingeworfen. Dazu kommen seine üblichen Impulse. Unterlasse alles, was sein Interesse an dir wecken könnte! Rühr dich nicht vom Fleck, und halte unbedingt den Mund! Wenn du meine Anweisungen nicht befolgst, kann ich dich nicht schützen.«
    Aden deutete ein Achselzucken an und nickte. Der Herzog wankte zum Wagen. Seine Stimme klang mal schrill, dann wieder lallend oder absurd gedehnt. »Dummes Gackerhuhn … oh, was für ein schöner Name für unseren Namenlosen … gluck … gluck … gluck. Dummes Huhn … hat nichts zu tun … jawohl, Sir … reimt sich immer … schlimmer. Oh, die schönen Lichter, wie sie zaubern … Ray! Ray, antworte auf der Stelle! Bin ich ein Gott? Bitte schreib deine Antwort in Gedanken nieder und winde sie um den Flieder , Ray, um den Flieder !«
    Julius wankte vor den Wagen. Er hielt mit beiden Händen die Enden seiner Toga hoch, bewegte sie wie Flügel auf und ab und schob gleichzeitig das Becken vor und zurück. Seine Augen waren zusammengekniffen und im nächsten Moment idiotisch aufgerissen, mit geweiteten Pupillen, die ins Leere starrten. Raydon, der ihm auf den Fersen folgte, robbte mit heruntergerutschter Hose durch den Staub. Die Zunge hing ihm weit aus dem teigigen,

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