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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
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barmherziger gewesen wäre, die Familie ganz auszulöschen und ihr so all den Kummer zu ersparen, und in der Regel hätte er das schon aus Bequemlichkeit getan. Aber etwas war in den Minuten nach Adens Tod geschehen, Dinge, die nun unbehagliche Gedanken in ihm weckten.
    Da war zuerst einmal der Leichnam – oder besser, das Fehlen des Leichnams. Aden hatte sich praktisch sofort aufgelöst und nur eine dunkle Pfütze auf dem Rasen hinterlassen. Noch jetzt konnte man getrocknete Farbkleckse im Gras erkennen. Slythe hatte schon des Öfteren Muses Geschöpfe getötet; aber so etwas war noch nie geschehen.
    Während die Farbe im Gras versickerte, zog ein Grollen über das Land hinweg, das wie ein Donnerschlag von den fernen Bergen widerhallte, den Untergrund und die Luft mit Gebrüll erfüllte und in mehreren Wellen, die aus allen Richtungen zu kommen schienen, zu dem Gehöft zurückkehrte. In dem gewaltigen Lärm schwang etwas Menschliches mit: ein Schluchzen oder Stöhnen. Es erschütterte den Boden. Ein Regenschauer folgte. Ein Regen, der nach Salz schmeckte. Wie Tränen.
    Slythe war nicht besonders religiös. Er kannte natürlich die Lehren der Weltenmacher-Kirche und allerlei Mythen wie die Geschichte von der Schöpferhand, die sich vom Himmel herabgesenkt hatte, um Berge aufzutürmen und Flussbetten zu graben. Daran zweifelte er auch nicht. Ein Atheist in Nightfall leugnete keineswegs die Existenz des Weltenmachers, sondern glaubte, dass der Weltenmacher tot oder dem Wahnsinn verfallen war – oder dass er sein Werk längst vergessen hatte.
    Das Stöhnen war mehr als nur ein Laut gewesen. Es hatte ein Gefühl der Trauer übermittelt, so stark, dass es für kurze Zeit auch Slythe erfasste und ihm die Haare zu Berge stehen ließ. Dieses flüchtige Bedauern war nicht nur Scham über das, was er getan hatte, sondern etwas, das tiefer ging. Ein Bedauern, das nicht verurteilte. Ein Bedauern darüber, dass diese Welt Wesen wie ihn duldete. Es betrachtete ihn – sein Handeln und ihn selbst – als Symptome einer schlimmen Krankheit in der uralten Struktur des Daseins.
    Slythe war vor dem Gefühl erschrocken, hatte es jedoch unmittelbar nach seinem Auftauchen verdrängt und versuchte, es nun tief in seinem Gedächtnis zu vergraben. Aber in jenem kurzen Moment war es scharf wie ein eisiger Wind gewesen, der ihm entgegenblies, sodass er erschauerte.
    Dann waren die Dragoner aus ihren unterirdischen Höhlen nahe Days Past gekommen, die Krieger der Kirche. Geschöpfe mit Menschenköpfen, deren Rumpf in einen Panzer überging, aus dem acht dünne Arme und Beine ragten. Die Gliedmaßen dieser spinnenähnlichen Soldaten waren mit rasiermesserscharfen Stacheln bewehrt, die sich in einen Gegner bohrten und ihn wie in einem Schraubstock festhielten. Da sie keine zivilen Schutztruppen waren, kamen sie eigentlich nur aus ihren Löchern, um die Horden von Wilden zu töten, die manchmal die Dörfer überfielen. Eines dieser Wesen reichte, um eine ganze Angreiferschar aufzuhalten. Sie besaßen keine Intelligenz, nur den Instinkt von Insekten. In seiner Jugend, als Slythe das Todeshandwerk erlernte, hatte er einzelne Dragoner attackiert, um herauszufinden, wie man sie besiegte. Der Trick dabei war, die gepanzerten Augenschlitze ihrer Helme zu durchstoßen, Ziele, die so schmal waren, dass nur Slythe sie traf. Aber hier wuselten fünfzehn Dragoner durch den Hof des Anwesens, vermutlich die gesamte Population der Region. Dieser Kampf würde sein Können auf die Probe stellen. Slythe hatte noch nie so viele Kirchenkrieger an einem Ort versammelt gesehen. Er hatte auch noch nie von einem solchen Ereignis gehört. Offenbar waren sie von überall herbeigeströmt, angelockt durch das Stöhnen des Himmels.
    Sie hatten einen Kreis um das Haus gebildet und stumm ausgeharrt, als warteten sie auf eine Erklärung. Und das, obwohl der Wagen von Julius am Straßenrand stand – ein Symbol für die Allgewalt von Schloss Eisennetz.
    Slythe hatte die Haustür hinter sich geschlossen und seinen Blick ruhig auf den am nächsten stehenden Krieger gerichtet. »Was wollt ihr?«, hatte er mit ausdrucksloser Miene gefragt, die Daumen lässig in den Gürtel gehakt. Eine starke Erregung hatte ihn erfasst. Seine Muskeln waren wie Federn gespannt und jede Sekunde zum Losschnellen bereit. Blende vier von ihnen, bevor sie zu nahe kommen! Nutze den Wagen als Deckung – sie sind gute Kletterer, aber du bist schneller. Blende zwei weitere von dort aus, dann lauf los!

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