Intrusion
Zwinge sie dazu, nacheinander die Verfolgung aufzunehmen, dann kannst du während der Flucht jeweils einen angreifen und blenden. Zu seiner Enttäuschung – er spürte nicht den Hauch einer Erleichterung – sah er, dass sie sich geschlossen abwandten und langsam den Weg zurückkrochen, den sie gekommen waren.
Slythe zündete eine Laterne an, als sich Julius im Nebenraum auf seinem Lager umherwälzte. Die Lockenfrisur des Herzogs hatte sich in ein Gewirr blutverklebter Strähnen verwandelt. Langsam schlug er die Augen auf. Er fasste sich an die Schläfen, fuhr mit den Fingern über den vom »Picken« steifen Nacken. Dann rollte er sich stöhnend auf die Seite. »Ahh! Slythe?«
»Hier bin ich, Julius.«
»Ahh! Slythe. Ich möchte dir eine Beobachtung mitteilen. Ich fühle mich ziemlich … ziemlich elend. Ich erinnere mich kaum noch an die letzte Woche.«
»Es waren zehn Stunden, Euer Gnaden. Ihr habt wieder eine zu hohe Dosis Medizin genommen.«
»Oh, dieses abscheuliche Zeug!« Julius setzte sich auf. »Slythe, meine Haut scheint mit einer komischen Kruste bedeckt zu sein. Fühlt sich fast wie Blut an.«
»Es ist Blut.«
Julius blinzelte. »Aber … warum? Bin ich verletzt, Slythe? Hat mir jemand im Übermut einen Schaden zugefügt?«
»Ich glaube, ein Hahn hat Euch angegriffen, Euer Gnaden.«
»Oh, und den armen Ray hat er auch erwischt. Armer, armer Ray! Überall Blutspritzer. Sieh dir das an! Es muss etwas Schreckliches passiert sein, Slythe, da bin ich mir ganz sicher. Wo sind wir? Ray! Wach auf, ich befehle es!« Julius hielt den Kopf schräg. »Ich höre etwas! Geflüster. Es kommt aus dem oberen Stockwerk.«
»Ich schlage vor, Ihr bleibt hier, Euer Gnaden.« Slythe packte den immer noch bewusstlosen Raydon an den Füßen und schleifte ihn die beiden Eingangsstufen hinab zum Wagen. Julius, der seiner Neugier nicht widerstehen konnte, humpelte inzwischen die Stiege hinauf. Slythe hörte ihn, dachte an die gespannte Armbrust, die den Herzog am Ende der Treppe vermutlich erwartete, und stürzte ihm nach.
In eine von getrocknetem Blut steife Toga gehüllt und immer noch von Kopf bis Fuß mit einer dunkelroten Kruste bedeckt, stand Julius betroffen vor einer Schlafkammer und blickte auf die Bauersfrau herunter, die ihre beiden jüngsten Söhne an sich drückte und ihn mit weit aufgerissenen Augen ansah. Er wandte sich Slythe zu. »Ich kann es kaum glauben! Sie fleht mich an, sie am Leben zu lassen und nicht abzuschlachten wie ihren Mann und ihren Erstgeborenen. Sie hat mich einen Mörder genannt. Ein Ungeheuer. Eine Majestätsbeleidigung! Ist das nicht gegen das Gesetz?«
Der Meuchelmörder zuckte mit den Schultern. »Wir wollen ausnahmsweise Gnade walten lassen, Euer Gnaden.«
»Aber das gehört sich nicht.«
»Bitte … lasst … uns … in Frieden !«, sagte die Frau. Ihre Stimme klang scharf und couragiert, obwohl man ihr anmerkte, wie erschöpft sie war. Julius zog die Augenbrauen hoch. »Slythe, ich bin verwirrt«, sagte er. »Sie scheint allen Ernstes zu glauben … und all das Blut … Slythe, als du davon sprachst, dass mich ein Hahn angegriffen habe … war das eine Metapher?«
»Ja, Euer Gnaden.«
Mit gerunzelter Stirn und das Kinn in eine Hand gestützt, marschierte Julius auf und ab. »Aber … wartet mal! Mir kommt da ein Gedanke! Oh, das ist ein sehr guter Gedanke.« Er wandte sich an die Frau und ihre Söhne. »Ich habe deinen Mann nicht einfach abgeschlachtet . Was verlor er denn so Kostbares? Das, was dir erhalten blieb! Das Leben ! Durch seinen Tod hast du erst den Wert des Lebens begriffen. Das ist mein Verdienst. Du begreifst beispielsweise erst, was ein Ei wert ist, wenn du eines essen willst, und ein Unhold nimmt dir alle Eier weg. Aber dir sind noch – eins, zwei, drei in der Speisekammer geblieben, an denen du dich erfreuen kannst. Verstehst du? Wenn ich dir den Wert einer Sache bewusst mache, ist das genau das Gleiche, als würde ich dir diese Sache selbst schenken. Ich habe dir das Leben geschenkt, du einfältiges Weib. In gewisser Weise bin ich also deine Mutter.«
Julius reckte den Göttern eine Faust entgegen, aber bei der Bewegung durchzuckte ein stechender Schmerz seinen Nacken. »Nun?«, fauchte er.
Sie starrten ihn stumm an.
» Nun? Was habt ihr zu eurer Verteidigung vorzubringen?«
Eines der Kinder begann zu weinen. Die Frau erhob sich, und Slythe deutete ihre Miene richtig. Er schob sich zwischen sie und den Herzog. Julius klappte die Kinnlade nach unten.
Weitere Kostenlose Bücher