Intrusion
besprachen das ausführlich bei Eurem letzten Besuch, Euer Gnaden«, entgegnete Kevas. Die Anspannung war ihm anzumerken. »Und bei Eurem vorletzten Besuch. Und beim vorvorletzten …«
»M-mm!« Julius drohte ihm streng mit dem Finger. »Damals ging es um Halsschmerzen, die er sich bei mir holte.«
»Ich hole eure … Medizin«, sagte der Priester. Nicht zum ersten Mal kämpfte er gegen eine starke Versuchung an: Gib ihm die schwarzen Pilze! Das befreit ihn ein für alle Mal von seinen Leiden und dich von vielen Sorgen! Aber er verdrängte den Gedanken sofort. So widerwärtig Julius sein mochte – er spielte eine wichtige Rolle. Charaktere seiner Art wurden gebraucht.
Kevas holte die Pflanzen aus dem Grünen Zimmer, stellte sie auf ein Holztablett und hörte gerade noch, wie Julius sagte: »Nein, Ray, das kommt nicht infrage. Ich bestehe darauf, dass du die als unbedenklich eingestufte Dosis verdoppelst.«
»Die Substanzen vertragen sich nicht gut, Julius. Es gab Lähmungserscheinungen, eine Erblindung …«
»Ah! Das darf nicht wahr sein! So etwas nenne ich einen eklatanten Fall von Widerrede, Ray. Einen Wortwechsel ! Ich bin der Herzog. Ich bin dein Herzog und – oh, sieh mal, Ray! Das dumme Gackerhuhn ist wieder da! Du Kotzbrocken, du, warum hast du dich nie für einen Namen entschieden? Hmm?«
Kevas stellte ein Tablett auf dem Tisch ab, beladen mit grauen Wurzeln, gelbgrünen Blättern, Teetassen und kleinen weißen Blüten. Seine Augen ruhten müde auf Julius. »Ich erhielt bei meiner Geburt durchaus einen Namen, Euer Gnaden. Wenn ich mich jetzt als der Namenlose bezeichne, so geschieht das im Einklang mit den Regeln, die besagen …«
»Aber – pass auf, Ray, das musst du unbedingt in deiner Chronik festhalten, sobald wir zum Wagen zurückkehren, und zwar unter der Rubrik Tiefe Einsichten: ›Der Namenlose‹ ist eine Art Name.« Die Lider flatterten. Er wartete. Kevas fand die Leere in seinen Zügen beunruhigend. Der weiche, wulstige Mund stand offen; die Kinnlade hing schlaff herunter. Das Gesicht wirkte ausdruckslos, wie aus Wachs gegossen. Kevas hackte die Kräuter, zerstampfte die Wurzeln in einer Tonschale und vermischte sie mit den gelbgrünen Blättern. »Da ist was dran, Euer Gnaden«, murmelte er.
Julius runzelte die Stirn. »Er murmelt etwas, Ray. Ich glaube, das ist ihm unter die Haut gegangen.«
»Es ist schließlich seine Kirche, Julius.«
»Euer Gnaden«, fragte Kevas, »wer ist der junge Mann, den ich kurz durch das Fenster Eures Wagens erspähte?«
»Pfff! Das ist nur der Notleidende. Ich lasse ihm meine Güte angedeihen, obwohl er mich allmählich langweilt.«
»Der … Notleidende?«, wiederholte Kevas.
»Ein junger Tunichtgut, den Julius unterwegs auflas und als Talisman mitnahm«, erklärte Raydon. »Obwohl er für einen armen Schlucker verblüffend eng mit Muse befreundet zu sein scheint.«
»Ein … junger Tunichtgut.« Die Hände des Priesters zitterten ein wenig, während er den Drogen-Cocktail des Herzogs zubereitete. »Mit … Muse befreundet.«
»Oh, wo bleibt meine Medizin ?«, rief Julius. »Mein Hals tut so weh, verdammt noch mal, du dummes Gackerhuhn!«
»Könnte das größte Wunder sein, das uns je vor Augen kam, und du nennst ihn einen jungen Tunicht…« Kevas biss sich auf die Zunge.
»Er hat sich auf die Zunge gebissen«, sagte Julius stirnrunzelnd. »Ray, mir kommt da ein Verdacht. Mir kommt der Verdacht, dass unser Gackerhuhn hier unser Tun mit sehr großem Interesse verfolgt. Und ich frage mich, Ray, ob das dumme Gackerhuhn vergessen hat, dass ihm unser Tun mit Ausnahme der Dinge, deren wir uns freiwillig rühmen, egal sein kann. Sag deshalb dem dummen Gackerhuhn, dass es seinen Schnabel halten soll, weil ich sonst meinem lieben Slythe erlaube, es mit Messern und anderen spitzen Gegenständen oder mit den Fäusten zu traktieren, und so etwas kann sehr, sehr schmerzhaft sein.«
Kevas hätte um ein Haar die Beherrschung verloren. In seiner eigenen Kirche bedroht zu werden! Lass gut sein, dachte er. Horch sie aus, und schick sie weg, wenn du erfahren hast, was du wissen musst! »Verzeiht meine unziemliche Neugier«, sagte er.
»Oder ich erlaube ihm, das Gackerhuhn in kleine Stücke zu hacken. Slythe, meine ich. Das macht er bestimmt mit großem Vergnügen, nicht wahr, Ray?«
Raydon sah Kevas entschuldigend an. »Das wird kaum nötig sein, Julius, oder?«
» DIESE ANTWORT GRENZT AN WIDERREDE! «, kreischte Julius los. »Warum zuckst du schon wieder
Weitere Kostenlose Bücher