Intrusion
zusammen?«
Kevas schob jedem von ihnen eine Hartholz-Schale zu. »Medizin!«, sagte Julius. »Los, Ray, trink! Die doppelte Menge, wie befohlen. Trink aus! Du machst viel mehr Spaß, wenn du eine Dosis schluckst, von der man nicht genau weiß, wie sie wirkt.«
Julius hielt die Schale vor sein Gesicht und starrte sie ausdruckslos an. »Ich befehle dir, bis drei zu zählen, dummes Gackerhuhn!«
»Eins. Zwei.«
»Langsamer!«
»Eins …« Julius schlabberte den Inhalt der Schale wie ein Hund kurz vor dem Verdursten. Stängel und Blätter hingen ihm aus dem Mund und verliehen ihm ein idiotisches Aussehen. Er starrte Kevas an. »Ist dir aufgefallen, dass ich die Schale schon bei Eins und nicht erst bei Drei leer hatte? Aber zerbrich dir nicht den Kopf darüber, denn du hast zweimal gezählt, und deshalb habe ich genau genommen doch bei Drei geschluckt. Das nennt man Mathematik .«
Kevas verzog das Gesicht. Sein Geduldsfaden war zum Zerreißen gespannt. Er humpelte zum Fenster. Zu seinem Erstaunen erklomm Aden gerade mühsam die Seitenwand des Wagens und hielt sich mit schmerzverzerrter Miene die Schulter. Was ist denn hier los?, schrie sein Verstand. Er kennt Muse! Dennoch steckt er mit dem Meuchelmörder des Herzogs zusammen, und sie scheinen keine Ahnung zu haben, wer er ist. Wenn der junge Mann die Wahrheit sagt, habe ich nicht das Recht, ihn gefangen zu nehmen. Wenn nicht, ist er der größte Ketzer aller Zeiten, und mir bleibt keine andere Wahl, als ihn auszulöschen. Was soll ich tun?
Er wirbelte herum, als hinter ihm eine Vase zu Boden fiel und zerbrach. Die beiden Idioten torkelten durch den Raum und suchten vergeblich nach der Tür. Raydon würde Glück brauchen, um die Dosis zu überleben; und wenn er sie überlebte, würde er noch mehr Glück brauchen, um nicht gelähmt zu bleiben. »Bei unserer Ankunft war hier drinnen kein so dichter Nebel«, verkündete Julius. »Was ist nur mit der Luft passiert?«
Es dauerte einige Minuten, sie nach draußen zu geleiten. Julius schlug nach ihm und brabbelte etwas von Hennen, Gockeln und Körnern. Raydon, dessen Gemisch ein starkes Aphrodisiakum enthielt, wollte unbedingt Sex mit dem Gästebuch der Kirche. Kevas hatte so genug von seinen Besuchern, dass er sie gewaltsam ins Freie stieß, ohne auf die Schmerzen in seinem entzündeten Knie zu achten.
KAPITEL 11
Lady Mira und Muse
Kaum jemand hatte Umgang mit Lady Mira, der Schwester des Herzogs. Slythe sah sie wohl öfter als die meisten anderen. Er hatte ihr noch nie Grund gegeben, ihn zu disziplinieren, und wusste daher weder, wie sie diese Aufgabe bewerkstelligen, noch, wie er eine Strafe hinnehmen würde. Er stand in ihren Diensten, weil sie ihn interessierte, weil Julius ihn amüsierte und weil er das prunkvolle Schloss einer Blockhütte in den Wäldern vorzog.
Als er an jenem Abend die Stufen zu ihrem Gemach hinaufstieg, hatte er zwar keine großen Bedenken, aber er war auf der Hut, denn Mira besaß magische Kräfte, über die ihm nichts Näheres bekannt war. Wie würde sie auf Adens Tod reagieren?
Er klopfte kurz an Miras Tür, drückte die Klinke herunter und sah sie am Fenster stehen, den Blick auf die Weite des Sternenhimmels gerichtet. Am fernen Horizont enthauptete eine Göttin gerade ihre Rivalin. Eine Blutfontäne, umgewandelt in ein Gefunkel heller Lichtpunkte, spritzte über das Firmament. Miras Gemach war größtenteils leer, bis auf eine Ecke, in der sie ihr Bett, ihren Standspiegel, einen venezianischen Nachttisch und einen Kleiderschrank aus Massivholz aufgestellt hatte, alles Möbel mit harten, klaren Linien. In dem Raum herrschte eine Kühle wie nirgendwo sonst in Schloss Eisennetz. Die Nacht strömte durch das Fenster herein, und die Sterne wirkten so nahe, dass man das Gefühl bekam, man müsste nur den Arm ausstrecken, um einen davon wie einen Diamanten vom Himmel zu holen.
In einem großen Glasgefäß zu Miras Füßen wallte schwarzer Nebel, die Ausscheidungen der Traumenergie, die sie schluckte. Fahlblaues Haar hing ihr offen auf die Schultern – offen, aber dennoch so sorgfältig frisiert, dass sich jede Strähne genau da befand, wo sie hingehörte. Das Kleid, das sie trug, betonte die Rundungen ihrer Hüften und Brüste. Ihre Absätze hallten laut auf dem Steinboden wider, als sie sich zu ihm herumdrehte. »Was ist geschehen?«, fragte sie. »Der Weltenmacher schrie vor Schmerz laut auf.«
»Ich habe Aden getötet«, entgegnete Slythe. Er setzte sich mit dem Rücken zur Wand auf
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