Intrusion
hergestellt war, hatte vielleicht mit ihm zu tun.
Kevas und Torak nahmen so weit wie möglich voneinander entfernt auf den Kirchenbänken Platz. Der Gestank, der aus der Soutane des Priesters aufstieg, warf Torak beinahe um. Kevas hörte sich Toraks Bericht über Adens plötzliches Erscheinen mit ernster Miene an. Die Beschreibung des Jungen deckte sich in etwa mit dem Aussehen des Besuchers von letzter Nacht, aber da war es dunkel gewesen. »… wenn ich mich recht erinnere, der gleiche Jüngling, der in den Träumen erschien«, sagte Torak gerade. »Ich nehme an, Ihr kennt sein Gesicht. Er taucht in vielen Gestalten auf, unser junger Freund. Sogar in den heiligen Kunstwerken. Aber das ist bei vielen Leuten so, eh? Ja, ich weiß genau, was Ihr sagen wollt, es steht Euch auf der Stirn geschrieben. Wir begegnen solchen Erscheinungen nur selten im richtigen Leben. Mich müsst Ihr nicht überzeugen, dass dies alles höchst ungewöhnlich ist. Wie Ihr unschwer erkennen könnt, hat diese Sache eine große Verwirrung in mir ausgelöst. Vielleicht zeigt sich das im schwachen Zittern meiner Hände, die Ihr immer wieder anstarrt. Nachdenklich? Oder argwöhnisch? Eher nachdenklich.« Torak schob eine Faust in den Mund und biss auf den Knöcheln herum.
»Ich habe Eure Hände betrachtet«, entgegnete Kevas langsam, »weil ich den Eindruck hatte, dass sich Euer Stab bewegte, kaum merklich, aber immerhin. Ich glaubte, eines seiner Augen blinzeln zu sehen.«
»Der hier?« Torak schlug den Holzstab härter als vielleicht nötig gegen die Kante der Kirchenbank. »Rührt sich nicht. Unbelebt. Holz, Euer Namenlose Exzellenz. Toter Ast von einem toten Baum. Und das soll er bleiben, es sei denn, er legt es darauf an, dass ich ihn in … ÄHM … Asche verwandle.«
»Dieser junge Mann, wie sah er aus, als er Euch begegnete?«, fragte Kevas nach einer Weile.
»Hatte nichts Besonderes an sich.« Die Augen des alten Mannes weiteten sich bei diesen ketzerischen Worten. »Ein ganz normaler junger Mann, wollte ich damit zum Ausdruck bringen«, verbesserte sich Torak und ballte die Hände verärgert zu Fäusten. »Natürlich, wenn er ist, was er zu sein behauptet , dann ja, gewiss, dann wäre er selbst in Gestalt eines normalen jungen Mannes göttlich oder so.«
»Das ist bemerkenswert«, flüsterte der Namenlose.
» WENN er die Wahrheit sagt. Wenn. Ein großes Wenn. So groß wie der Rest der Welt …« Er schluckte. »Ein poetischer Vergleich. Nun? Was denkt Ihr?«
Der Namenlose fuhr sich mit einer Hand durch den Bart und streifte ein paar kleine weiße Schuppen ab. »Mir schwirrt der Kopf. Wie soll ich Euch eine Antwort geben, da ich so wenig weiß? Aber auf den ersten Blick … ist er entweder ein Omen, ein Ketzer oder … ein Wunder.«
»Oder …?«, beharrte Torak.
»Oder was?«
»Nun, sagen wir mal, ein armer Verwirrter, geschädigt von Drogen oder Alkohol?«
»Häretiker! Wie erklärt Ihr Euch in diesem Fall die Ähnlichkeit mit dem Wesen auf den heiligen Kunstwerken oder das Muttermal, das Ihr gesehen haben wollt? Befand er sich in dem Traum, dem Ihr Euer Geleit gabt?«
»Er trat nicht aus dem Traum, wenn Ihr das mit Eurer Frage zum Ausdruck bringen wolltet. Er holte mich auf der Straße ein, das ist alles. Tapp, tapp. Schritte hinter mir. Nichts Außergewöhnliches. Keine Sorge, ich war sehr, sehr höflich. Bot ihm Brot und Wein an. Der Traum? Erschien genau da, wo ihn mein wissenschaftlicher Apparat vorhergesagt hatte. Sehr kompliziertes Verfahren. Will Euch gar nicht mit den Einzelheiten plagen. Ich suchte die Stelle auf, um ihn zurück zum Schloss zu lenken. Komplexe Sache! Und da war er plötzlich. Aus Fleisch und Blut. Und Knochen. Die übliche Materie.«
Kevas erhob sich und wanderte zwischen den Bankreihen umher. Torak beobachtete ihn, kaute an einem Fingerknöchel. Der Eifer, der mit einem Mal in den Augen des Priesters leuchtete, bereitete ihm Unbehagen. »Noch ist nichts bestätigt «, fügte er hinzu. »Seine Behauptungen, meine ich. Das muss ich doch nicht ständig wiederholen, oder?«
»Wie war sein Verhalten? Seine Sprache?«
»Irre. Er begriff nicht, dass der Traum nur ein Traum war. Hielt das Abbild des Weltenmachers für real. Der Junge schien es ernst zu meinen, als er nach seinem ›Großvater‹ rief. Sagte so etwas wie: ›Helft ihm doch!‹«
»Und der Traum selbst?«
Torak zuckte zusammen. Das hätte er lieber geheim gehalten. »Genau der gleiche Traum, der in den vorausgegangenen drei Nächten
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