Invasion 05 - Heldentaten
Schiff zu schützen, und innerhalb des atmosphärischen Plasma, das durch die Reibung der Schiffs-»Oberfläche« und der nur andeutungsweise vorhandenen Atmosphäre erzeugt wurde. Von außen ähnelte das Fahrzeug einem Meteor, innen war es so etwas wie eine Kreuzung zwischen einer Achterbahn und dem Flug eines wahnsinnigen Piloten, der sich mit Drogen voll gepumpt hat. Die Kapsel wurde hin und her geschleudert, überschlug sich, sackte durch, veränderte ihre Geschwindigkeit, taumelte, rollte wie ein Würfel und bäumte sich gelegentlich auf. Die Temperatur im Inneren stieg stetig an, je tiefer sie sanken, da sie ja keine Möglichkeit hatten, die aufgenommene Reibungsenergie abzustrahlen. Wenn sie in dichtere Atmosphäreansammlungen eintauchten, führte das zu heftigen Rucken, bei denen ihnen die Zähne klapperten. Die Platzverhältnisse im Inneren der Kapsel waren ohnehin, gelinde gesagt, beengt, und der unruhige Flug – falls man den Sturz aus dem Weltraum überhaupt als solchen bezeichnen konnte – führte immer wieder dazu, dass sie mit den Helmen gegen die Wand geschleudert wurden oder sich die Knie an ihrem Gerät anstießen. Niemand sprach, bloß Grunzlaute und andere Reaktionen auf die schmerzhaften Stöße waren zu hören. Gelegentlich stieß einer einen Fluch aus. Die Soldaten hatten die meiste Zeit die Augen geschlossen, nicht aus Angst, sondern um zu viel Desorientierung zu vermeiden. Adrenalin-Junkies unter der zivilen Bevölkerung gaben Geld für ein solches Erlebnis aus, während erfahrene Profis am liebsten die Finger davon ließen.
Aber verglichen mit dem Finale war das alles noch gar nichts.
Unter der Wolkenschicht schmolzen die »Flügel« ab und wurden zu Bremsflächen, um das Fahrzeug auf »vernünftige« Geschwindigkeit abzubremsen. Ohne die Trägheitsdämpfer hätte die heftige Bremsbeschleunigung die Crew zu Brei zerdrückt. So war es nur ihrer langen Praxis zuzuschreiben, dass sich nicht alle die Seele aus dem Leib kotzten. Es war eine brutale Veränderung ihrer Orientierung, als die Kapsel jetzt jäh umkippte und mit deutlich mehr als fünftausend Metern pro Sekunde dahinrollte, plötzlich die Nase nach unten streckte und mit knapp Unterschallgeschwindigkeit in Bezug auf ihre Umgebung dahinflog. Die Kapsel befand sich jetzt über dem Meer und klatschte unter bösartigem Aufzischen von Dampf in die Wellen. Das war eigentlich keine Landung, eher ein kontrollierter Absturz und ein mächtiger Platscher.
Die Bremsen verschoben sich erneut in ihren Kraftfeldern und wurden zu kleinen Flossen, und ein paar schwache Antriebsaggregate sprangen an. Der Rest des Manövers würde überwiegend unter Wasser stattfinden und recht langsam ablaufen. Der Prozess war weitgehend automatisiert; Bell Toll gab eine Route an, und die KI des Fahrzeugs erledigte den Rest. Auf diese Weise brauchte man keinen Piloten, um das Fahrzeug zu steuern, der sonst während des ganzen Einsatzes entweder warten oder einen Start und eine weitere Landung hätte riskieren müssen. Außerdem war der größte Teil der Prozedur für einen menschlichen Piloten entweder zu kompliziert – das Eindringen in die Atmosphäre und das Bremsen, beispielsweise – oder zu simpel und langweilig, als dass es sich gelohnt hätte, einen Menschen dafür einzusetzen.
Die Kapsel war nicht stromlinienförmig, war aber zu gewissen Veränderungen ihrer Form fähig. Ihre Kraftfelder konnten jede erforderliche Form annehmen – kein Problem also. Aber die Schallgeschwindigkeit ist im Wasser wesentlich niedriger als in der Luft, und Schall-Schockwellen unter Wasser sind selten und treten fast nie natürlich auf. Ihr Bedürfnis nach Tarnung machte daher langsame, äußerst vorsichtige Fahrt erforderlich. Nachdem sie Lichtjahre im Laufe einiger Tage, Tausende von Kilometern binnen Minuten zurückgelegt hatten, würde die letzte Etappe einige hundert Kilometer ausmachen, aber lange Stunden dauern.
Soldaten für Spezialeinsätze erhalten eine lange, langweilige Ausbildung, gefolgt von langen, langweiligen Einsätzen, bei dem hauptsächlich die Fähigkeit gefragt ist, während des Nichtstuns nicht den Verstand zu verlieren. Jeder Soldat entwickelt dafür ganz spezielle Mechanismen. Gute Teams sind solche, deren Mitglieder es gelernt haben, sich nicht gegenseitig mit lästigen Eigenheiten zu Wutanfällen zu treiben, Eigenheiten wie unangenehmen Atemgewohnheiten oder der Gewohnheit, sein Bein irgendwie seltsam zu bewegen, sodass der andere einem nach dem
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