Invasion 06 - Callys Krieg
Es war vermutlich keine Übertreibung, sie als die beste lebende Attentäterin auf der Erde oder außerhalb zu bezeichnen – allenfalls mit einer einzigen Ausnahme, nämlich ihm selbst. Obwohl er nicht über ihre … natürlichen Vorzüge verfügte.
Aber da dies so war – warum musste er sich dann jedes Mal, wenn sie im Feldeinsatz war, wie ein nervöser Vater fühlen, dessen Tochter ihr erstes Rendezvous hatte?
Er unterdrückte den Drang aufzustehen und auf und ab zu marschieren, unterdrückte ihn nicht nur, sondern erwürgte ihn und riss ihn in Stücke. Cally war schon lange über ihr erstes Rendezvous hinaus. Das war sogar ein gewisses Problem. Man konnte einem Mädchen beibringen, wie man verlässlich aus tausend Meter Distanz eine Zielscheibe mit zwanzig Zentimeter Durchmesser traf, man konnte ihr beibringen, wie man Fallen erkannte und ihnen aus dem Weg ging, man konnte ihr neun unterschiedliche Methoden beibringen, wie man in der Dunkelheit
lautlos einen Menschen tötete, aber man konnte ihr nicht beibringen, wie man mit den Belastungen ihres Jobs zurechtkam. Das war eines der Dinge, die jeder Attentäter selbst lernen musste.
Cally war schon immer ein Naturtalent gewesen. Er erinnerte sich noch gut an das erste Mal, als er dem Kind eine Pistole in die Hand gedrückt hatte. Natürlich war sie nicht einmal imstande gewesen, eine Scheunenwand zu treffen, aber nachdem sie ihr erstes Magazin auf dem Schießplatz leer geschossen hatte, hatte sie sich umgedreht und ihn angesehen. Sie war damals schlank gewesen, nein, nicht schlank, dürr, und ihr blondes Haar war stets wirr und zerzaust gewesen. Und an der Nase war da ein Schmutzfleck gewesen, wo sie sich gekratzt hatte. Die Ohrenschützer waren groß und leuchtend grün gewesen, und die Schutzbrille war ihr auf die Nasenspitze gerutscht, aber das Grinsen, mit dem sie ihn angesehen hatte, hatte ihr ganzes Gesicht zum Leuchten gebracht. Und im Laufe der Zeit war ihm klar geworden, dass sie außer ihrer Begeisterungsfähigkeit noch über zwei andere wichtige Fähigkeiten verfügte. Sie hatte ungewöhnlich scharfe Augen und eine ausnehmend ruhige Hand. Er hatte darauf geachtet, beides zu schützen – Letztere unter anderem vor Lastern wie Koffein. Es gab Wesenszüge, die besser zu heranwachsenden Kriegern passten.
Und dann war sie natürlich auch stur gewesen. Keine Ahnung, woher sie das hatte. Er schmunzelte. Und diesen Mistkerl hatte sie in die Kniekehle geschossen, als er versucht hatte …
Die Tür schob sich auf, und da war sie endlich, sein Baby, seine Enkeltochter – aber was in drei Teufels Namen hatte sie da an? Der einteilige schwarze Lederanzug hätte gut zu einer Tarnung als Nutte gepasst – falls es eine Kombination für ihre Maße gewesen wäre. So ließ sich der Reißverschluss hinten nur halb schließen, ohne dass sie aus dem Anzug platzte. Und nach seiner Ansicht bestand diese Gefahr immer noch. Am liebsten wäre er aufgestanden und hätte sie in eine Decke gehüllt.
»Hey, Süße, was darf ich dir zu trinken bestellen?«, fragte er, als sie in den Raum geschlendert kam, sich rittlings auf einen Barhocker setzte und die Arme über die Armlehne legte, während die Tür sich hinter ihr zuschob. Ihr federnder Schritt passte seiner Ansicht nach überhaupt nicht zu der Rolle, die sie spielte. Huren hatten einen anderen Gang.
»Bushmill Black, Wasser. Für billigen Whiskey ist das Leben zu kurz«, sagte sie. Mit dem linken Fuß tippte sie nervös auf den Boden, als könnte sie nicht richtig stillsitzen, obwohl es bereits spät war und sie doch eigentlich hätte müde sein sollen.
»Du gefällst mir«, sagte er. Das Leben zu kurz? Cally hatte schon lange nicht mehr gedacht, dass das Leben für irgendetwas zu kurz wäre. Da ist etwas im Busch.
»Fortschrittsbericht?« Er holte einen Dämpfer heraus und stellte ihn auf den Tisch, schnippte ihn an. »Ich habe den Raum bereits nach Wanzen abgesucht.«
»Ich habe gar nichts gefunden. Ich konnte lediglich bestätigen, dass vom Büro aus ein Geheimeinsatz läuft. Vermutlich der Geheimeinsatz, aber mehr habe ich nicht. Den General ins Bett zu bekommen war kein Problem. Wahrscheinlich wäre es eher ein Problem gewesen, es nicht zu tun. Er ist halt der Typ dazu. Ich habe alles durchsucht, wo ich mir Zugang verschaffen konnte, und arbeite jetzt an dem Adjutanten, der Zugang zu weiteren Räumen hat, an die ich bislang nicht rankomme«, sagte sie.
Bildete er sich das bloß ein, dass ihre Stimme am Ende
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