Invasion 06 - Callys Krieg
sich gab. »Ich wette, von deinen auswärtigen Freundinnen kommt keine von einer Prämienfarm, oder?«
»Wenn du die Prüfungen nicht schaffst, musst du eben lesen und studieren, bis du es schaffst.«
Das Mädchen lachte. »Bibliothek.« Sie deutete auf den Wohnwagen des Bounty-Agenten. »Zwei Regale voller Lexika aus der Vorkriegszeit und ein zerfleddertes Exemplar von Ledergöttinnen von Phobos .«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein.« Cally fiel die Kinnlade herunter.
»Nee.« Sie grinste verkniffen. »Na ja, es sei denn, du zählst die Pornomagazine mit, die Agent Thomas unter seinem Bett verstaut. Ich habe mich schon mal so gelangweilt. Ups, ich muss jetzt gehen, die Pfirsiche solltest du echt versuchen.« Sie zuckte zusammen, als sie das Gesicht der Frau in mittleren Jahren sah, die aus dem mit Isolierband geflickten Plastik- »Fenster« der Imbissbude heraussah, und fing an, leere Teller und Besteck einzusammeln.
Cally starrte ihr einen Augenblick lang nach, ehe sie in ihrem Rucksack nach einem abgegriffenen Exemplar von Pygmalion wühlte und das Buch einen Augenblick lang anstarrte.
Ich kann mir ja wieder eins besorgen. Sie stopfte das Trinkgeld des Mädchens hinter den Einbanddeckel, leerte ihr Wasserglas und ging dann zu der Tür, wo das Mädchen gerade herauskam, um sich die nächste Ladung abzuholen. Als sie den roten Handabdruck im Gesicht des Mädchens und ihre geröteten Augen sah, presste sie die Lippen zusammen und drückte ihr das Buch in die Hand.
»Du darfst nie aufgeben«, redete sie ihr zu, griff ihr unters Kinn und drehte ihr den Kopf herum, damit sie ihr in die Augen sehen musste. » Niemals aufgeben. Niemals. Du schaffst das.«
Das Mädchen zuckte zusammen und musterte ihr Gegenüber scharf, als ob ihr plötzlich der Verdacht gekommen wäre, dass sie viel älter als zwanzig war, was auch immer sonst sie sein mochte. Sie lächelte grimmig, stopfte sich das Buch in die Tasche und machte sich wieder an die Arbeit.
Cally hörte sie murmeln »Danke, Ma’am«, als sie zu dem VW-Bus zurückschlenderte, wieder exakt wie eine Studentin auf Reisen, bemüht, ihre Selbstvorwürfe wegen Verletzung ihrer Tarnung nicht zu offensichtlich werden zu lassen.
Vor den Mauern verzog Cally das Gesicht, als sie das Kudzu-Gestrüpp am Straßenrand sah. »Das gibt Probleme mit Abat, nicht wahr?«
»Was? Ja, und wie. Das kommt an diesen Orten häufig vor. Wenn es kein gutes Anbauland ist oder dicht beim Haus von jemandem liegt, geht es niemand etwas an. Da reinzugehen und das Zeug wegzuschaffen, das macht ’ne Menge Arbeit, und dafür kriegt man keine Prämien und die eigene Saat wächst davon auch nicht. Bis dann irgendein armer Teufel von einem Grat gebissen wird. Ich kann dir bloß sagen, Mann, auf der ganzen Welt gibt’s nicht genug Geld, um mich zum Farmer zu machen.«
Als das Land und die Straße dann hügeliger wurden, türmten sich zuerst die kleinen, immer größer werdenden Bäume und das Gestrüpp wie grüne Mauern entlang der Straße auf, dann kamen riesige Granitdurchbrüche, als sie in die Blue Ridge Mountains hinaufklettern, die wie eine gewaltige Wand vor ihnen aufstiegen, welche der nachmittägliche Dunst nur geringfügig weicher machte. Jetzt, wo das sich ändernde Terrain es nicht mehr nötig machte, eine Roundup-Zone zu haben, tauchten hier und da kleine Grasinseln und irgendwelche Cally unbekannten
blauen Blumen auf, die sich im Felsboden festkrallten und gelegentlich dazwischen ein paar leuchtend gelbe Kleckse von Bergazaleen. Reefer schaltete die Klimaanlage ab und kurbelte die Seitenscheiben herunter, um die frische, kühle Bergluft hereinzulassen. Cally gab sich Mühe, nicht die Nase zu rümpfen, weil damit auch der Auspuffgestank des restlichen Konvois hereinkam, und schlang sich ihr Haar zu einem Pferdeschwanz, damit ihr die dunklen Locken nicht ins Gesicht flogen.
An einem der Durchstiche konnte man noch Reste von einigermaßen exotischem Schutt erkennen, wo sie den Wall in die Luft gejagt hatten, die Straße dann nach Fertigstellung der Green River Gorge Zugbrücke beim Wiederaufbau der Route zum Hafen von Charleston neu zu eröffnen.
An der Zugbrücke gab es keine Verzögerung, weil der vorderste Truck bereits synchronisierte Codes vorausgefunkt hatte, um den Brückenwärter zu verständigen. Cally beruhigte es, den ungewöhnlich wachsamen Mann dabei zu beobachten, wie er ganz offensichtlich den Konvoi und seine sämtlichen Sensoren im Auge behielt, während der VW
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