Invasion 06 - Callys Krieg
die Reihe von Sattelschleppern zu, die die vordere Partie des Konvois von Charleston gebildet hatte.
Als Reefer mit seiner Konvoinummer für den nächsten
Tag zurückkam, hatten sich die Wolken in strahlende Schmierer aus grellem Pink und Orange verwandelt. Als er außer Cally niemand bei seinem VW vorfand, sackte ihm der Unterkiefer herunter.
»Shit«, murmelte er halblaut, als er die Fahrertür öffnete und seinen Rucksack herauszog. »Ich schätze, ich habe dich umsonst hier warten lassen. Tut mir Leid, Marilyn. Äh, gehen wir, denke ich.«
Cally griff sich wortlos ihren Rucksack und folgte ihm auf das Tor der Urb zu. Der Parkplatz war mit Schlaglöchern übersät und hätte dringend eine neue Asphaltschicht gebraucht, aber die frisch aufgemalten Streifen auf dem ausgebleichten Asphalt ließen erkennen, dass das für die unmittelbare Zukunft nicht geplant war. Selbst aus der Ferne konnte sie sehen, dass die Mauern im Eingangsbereich der Urb mit Graffiti bedeckt waren, einige davon neu, andere mit den Jahren ebenso verblasst wie die ursprüngliche Farbe des Gebäudes.
Als sie auf das Tor zugingen, kam ein Paar in ausgeblichenen Jeans und kunstvoll zerrissenen schwarzen T-Shirts auf sie zu. Reefer schien sie zu erkennen, und sein Schritt stockte kurz, aber er ging dann gleich weiter. Als sie voreinander standen, registrierte Cally sein etwas angestrengtes Lächeln.
»Also, ich muss schon sagen, cool. Hi, Janet. Janet, das ist Marilyn. Marilyn, Janet.« Seine Stimme klang etwas gequält. Cally trat neben ihn und legte den Arm um seine Taille. Das Wenigste, was ich tun kann. Er hat mich mitgenommen und unterwegs nichts Hässliches getan. Außerdem ist Marilyn sensibel.
»Oh, freut mich, dich kennen zu lernen.« Janet legte den Kopf etwas in den Nacken, um zu dem hageren Jungen in ihrer Begleitung aufblicken zu können. »Thad, das ist der Typ, von dem ich dir erzählt habe, Reefer. Du bist ein guter Maler, Mann. Freut mich.«
»Yeah, klar.« Er griff nach der Hand, die Cally um seine Hüfte gelegt hatte, und strahlte sie dankbar an. Dann herrschte einen Augenblick lang verlegenes Schweigen,
als sie einander gegenseitig musterten. Thads roter Backenbart kontrastierte schrill mit den neonblauen Spitzen in seinem schwarzen Haar. Auf der einen Schulter, wo er den Ärmel aus dem Hemd gerissen hatte, konnte man den eintätowierten Kopf eines Posleen-Gottkönigs mit gesträubtem Kamm und aufgerissenem Maul sehen. Auf der Stirn trug er eine metallisch goldene Tätowierung eines Blitzes. Seine Haut war völlig rein, typisch für eine Generation, die Akne mit derselben Skepsis betrachtete wie ihre Großeltern Erzählungen aufgenommen hatten, in denen es darum ging, am Morgen durch den Schnee zur Schule zu gehen.
Cally brach die inzwischen peinlich werdende Stille, indem sie Reefer in den Po zwickte und grinste, als der zusammenzuckte. »Hey, Babe, holen wir uns was zu futtern, oder wie?«
»Hey, Marilyn, ist ja wirklich nett von dir, aber das brauchst du nicht zu tun.« Das flüsterte Reefer ihr ins Ohr, als sie die Wohnkorridore zu Janets Apartment hinuntergingen, wobei er sich drei Schritte hinter seiner Ex-Freundin und deren neuem Typen hielt.
»Schsch«, sie legte ihm den Finger auf die Lippen, »ist schon in Ordnung.«
»Wir können nach oben gehen und uns im Hotel Zimmer nehmen, separate Zimmer natürlich, und auch wenn ich wie eine Schlafmütze aussehe, du hast mir wirklich den Abend gerettet …«
»Schsch.« Sie hielt ihn wieder an und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich mache da kein Angebot, ich brauche bloß ’ne Bleibe für die Nacht und du ein wenig moralische Unterstützung, also beruhig dich und halt die Klappe, ja?« Und von der handwerklichen Seite her ist es gut, wenn man nirgendwo einchecken muss.
»Hey, ihr beiden, besorgt euch ein Zimmer«, rief Janet über die Schulter gewandt nach hinten.
»Aber gern doch, deins.« Cally grinste zurück. »Na ja, schön, jedenfalls deinen Futon.«
Abgesehen von dem unvermeidbaren Futon war das Erste, was Cally an dem Apartment auffiel, dass irgendwer den Auslass für den Rauchmelder mit Isolierband verklebt hatte und dass die Filter über den Luftauslässen geflickt waren. Das Zweite war der tragbare Luftreiniger in der Ecke, der an einer Steckdose in der Wand hing. Der ohnehin schon kleine Raum wirkte infolge der düsteren holographischen Plakate diverser Musiker und Gruppen, mit denen der Großteil der Wände bepflastert war, noch kleiner. Einzige Ausnahme
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