Invasion 06 - Callys Krieg
anhielt und dann ein paarmal vor und zurück fuhr, taten ihr alle Knochen weh, und sie war froh, dass die Tortur endlich ein Ende genommen hatte.
Als dann die Tür hinten geöffnet wurde, wäre ihr nichts lieber gewesen, als sich auf ein paar Stunden in eine heiße Badewanne zu setzen, aber zunächst suchte sie ein kleines Büro, dicht neben dem unterirdischen Parkplatz, auf. Sie reichte die Aktentasche und ihre Autoschlüssel einem Mann undefinierbaren Alters mit grauem Haar und einer riesigen Nase.
»Marty, ich brauche die volle Prozedur für Tasche und Inhalt.« Sie schnappte sich einen Stift und kritzelte eine Adresse sowie Marke und Kennzeichen ihres Wagens auf einen Block auf der Theke. »Der Wagen ist ebenfalls schmutzig und muss heute abgeholt werden – er steht auf einem Motelparkplatz. Sie können die Kleider in der Mülltüte im Koffer sauber machen, aber den Rest der Kleider und den Rucksack mit Inhalt möchte ich zurück. Wie geht’s Mary?«
»Gut, sehr gut. Was haben Sie denn getrieben? Ich wusste gar nicht, dass Sie im Einsatz sind.«
»Zufallsziel. Hatte keine Zeit für eine komplette Vorbereitung. Tut mir Leid. Ich weiß, dass die improvisierten Jobs schwieriger sind. Wie geht’s Sue und Cary?«
»Sie hat diesen Frühling ihre Abschlussprüfung gemacht. Hat sich ’nen anderen Job als ich oder ihre Mom gesucht. Ich weiß nicht, was das Mädchen an den Maschinen hat, aber alle sagen, sie sei eine Künstlerin. Und von dem Jungen habe ich diese Woche einen Brief bekommen. Anscheinend ist er dahinter gekommen, dass es wirklich eine gute Idee ist, auf das zu hören, was einem die Nonnen sagen.«
Cally erwiderte sein schiefes Grinsen.
»Ist das alles?«, fragte er und tätschelte ihr die Hand, als sie nickte. »Hier sind Sie jetzt sicher, Süße. Machen Sie sich’s bequem und versuchen Sie alles zu vergessen.«
Sie loggte sich in einer der Kurzzeit-Suiten ein und bereitete ihr Bad vor. Bis sie aus der Wanne stieg, sollte ihr Koffer mit ihren persönlichen Habseligkeiten angekommen und im Zimmer aufgestellt sein. Sie stellte das »Nicht auspacken«-Schild auf die Kommode und ging ins Bad. Die Organisation hatte Verständnis für die Gefühle von Feldagenten ohne feste Wurzeln und hielt deshalb immer ein ganzes Sortiment persönlicher Gegenstände für sie bereit. Ganze Apartments für Agenten vorzuhalten, die möglicherweise nie von einem Einsatz zurückkehren würden, verbot sich aus Kostengründen, und deshalb wurden die persönlichen Habseligkeiten in einer Art modernem Äquivalent von Übersee-Koffern aufbewahrt, die in die Suite der Agenten gebracht wurden, wenn diese auf dem Stützpunkt eintrafen, und anschließend wieder in die Lagerräume zurückgebracht.
Cally wusste es zu schätzen, auf dem Stützpunkt ihre eigenen Kleider und Habseligkeiten zur Verfügung zu haben, zog es aber vor, sie selbst auszupacken oder auch im »Koffer« zu lassen anstatt sie wiederholt von Fremden, geschweige denn von Freunden oder Bekannten anfassen zu lassen.
Sie ließ sich ihr Mittagessen aufs Zimmer bringen. Wenn sie die Cafeteria aufsuchte, würde sie zweifellos auf Bekannte stoßen und mit ihnen reden müssen. Genauer gesagt, sie würde Cally O’Neal sein müssen, und
dazu war sie noch nicht ganz bereit. Und das war ein untrüglicher Hinweis darauf, dass sie dabei war, irgendetwas auszubrüten und deshalb nur für alle Fälle dem Arzt eine Visite abstatten sollte. Bloß dass ihr eigentlich gar nicht danach war. Vielleicht würde ein langes, heißes Bad und anschließend eine Stunde im Fitnessstudio und früh zu Bett gehen alles wieder in Ordnung bringen. Es hatte ja schließlich keinen Sinn, einen Arzt wegen etwas so Trivialem wie einer Magenverstimmung zu belästigen, und möglicherweise waren diese nächtlichen Schweißausbrüche ja bloß ein harmloses Fieber. Und im Augenblick hatte sie schließlich kein Fieber, bloß ein wenig müde war sie.
Im Bad goss sie etwas Badesalz aus einem Glas unter der Theke ins Wasser. Natürlich unparfümiertes Badesalz, da die Verwaltung ja nie wusste, ob der betreffende Agent im Zimmer männlichen oder weiblichen Geschlechts war, aber jedenfalls gut für die Entspannung. Die echte Dekadenz würde warten müssen, bis ihre eigenen Sachen eintrafen.
Sie nahm die braunen Kontaktlinsen heraus, sodass ihr aus dem Spiegel ihre eigenen blauen Augen entgegenblickten, als sie sich das Haar feststeckte und dabei etwas wehmütig eine Locke musterte. Nach der Dauerwelle und
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