Invasion aus dem Jenseits (German Edition)
Strichlinie zum Ausschneiden einen Rabatt-Gutschein in Höhe von zwei Euro eingebaut. Drucker und Fotokopierer liefen parallel, und so konnte er eine weitere Stunde später mit den ersten 1.000 Exemplaren starten.
Die Stunde des Wartens hatte er genutzt, im Branchen-Fernsprechbuch die Adressen aller Hotels, Gaststätten, Freib äder, Rathäuser und Touristenattraktionen zu umringeln und sich eine Fahrtroute zu erarbeiten, über die er all diese Anlaufstellen in einem Rutsch und möglichst ohne Umwege erreichen konnte.
Erste Station war das Rathaus von Trieffendorf. Er fragte sich durch zum für den Prospek tständer entscheidungsbevollmächtigten Beamten, holte sich die Erlaubnis, einen Teil seiner Handzettel dort zu präsentieren, und hastete gerade mit dem restlichen Packen die Stufen der Rathaustreppe hinunter, als er jemanden seinen Namen rufen hörte.
„Hallo Herr Dr. Hertel“, antwortete er schnaufend. „Ich bin leider ein bisschen in Eile.“
Auf langen Gummibeinen kam der Stadtarchivar ihm entgegengelaufen.
„Geht ganz schnell. Das mit dem Kuckucksnest... Entschuld igung.“
Er beugte sich nach vorn und holte beim Aufrichten tief Luft.
„Ich bin nicht gerade eine Sportskanone.“
„Ich auch nicht“, erwiderte Benno schnaufend und doppelt ungeduldig. „Das mit dem Ku ckucksnest...?“
„Das hat sich leichter klären lassen als erwartet.“
Dr. Hertel strahlte übers ganze Gesicht.
„Mein Vorgänger hat es gewusst und mir auch verraten. Kennen Sie den alten Professor Ke rbelmann?“
„Nein.“
„Ein famoser Mensch und bis zu seiner Pensionierung einer der dienstältesten Stadtarchivare unseres Landes. Sein Vorgänger, der selige...“
„Tut mir leid, Sie zu unterbrechen, aber ich bin ziemlich u nter Zeitdruck.“
„Es dauert nur eine Minute. Sein Vorgänger war noch einer j ener Archivare, die ihr Amt aus echter Leidenschaft erfüllten, also wenn einer alles über das Schloss wusste, dann er, und er hat sein Wissen an Herrn Professor Dr. Kerbelmann weitergegeben.“
„Und, was ist dabei herausgekommen?“
„Jetzt raten Sie mal.“
Benno hätte ihn am liebsten gepackt und die Information aus ihm herausgeschüttelt. Er zwang sich, so freundlich und hö flich wie möglich zu bleiben.
„Keine Ahnung. Was denn?“
„Na, um wen es sich handeln könnte. Ein Tipp: Der Name ist noch ziemlich neu.“
Benno schüttelte den Kopf.
„Wenn ich das auch nur annähernd...“
„Bedenken Sie bitte, dass jedes alte Gemäuer mit uralter G eschichte immer auch eine jüngere Vergangenheit hat.“
Benno stutzte. Die Aussage kam ihm irgendwie bekannt vor. Er schüttelte langsam den Kopf.
„Es ist der Baron himself”, rief der Archivar und untermalte die Auflösung seines Rätsels mit ausgebreiteten Armen.
„Sie meinen, der Baron ist gar nicht...“
„Er wäre von der Erbfolge her leer ausgegangen, wenn da nicht ein ganz besonderer Fall eingetreten wäre in Kombination mit der Grenzöffnung.“
„Gehört ihm das Schloss also oder nicht?“
„Rein rechtlich natürlich schon. Aber das wäre jetzt eine längere Geschichte.“
„Bitte in Kurzfassung.“
„Der Vater des Barons war ein gewisser Günter Hermanns. Er lernte Baronin Theodora von Wensel zu Oberkranstein auf offener Straße kennen. Sie hatte eine Reifenpanne, und er half ihr, den Reifen zu wechseln. Eine nette Geschichte, aus heutiger Sicht, die damals aber zu ziemlichen Verwicklungen führte.“
„Wieso? Ich meine, worauf wollen Sie eigentlich hinaus?“
„Na, ein Handelsvertreter und eine Adlige, dazu noch die einzige Nachfahrin des Hauses von Wensel zu Oberkranstein. Adel will zu Adel, Sie verstehen?“
Benno trat von einem Bein aufs andere. Sein schöner Zeitplan geriet ihm aus den Fugen.
„Eigentlich verstehe ich immer noch nicht. Der Baron ist also nur ein halber Baron?“
„Wenn es so einfach wäre. Er ist eigentlich gar keiner.“
„Haben die beiden nun geheiratet oder nicht?“
„Sie haben, unter größtem Widerstand der Eltern der Baronin. Man löste das Problem zähn eknirschend, indem man den armen Handelsvertreter in den Adelsstand erhob.“
„Dann war ja alles bestens.“
„Wäre der Krieg nicht gewesen, vielleicht.“
Benno schaute auf die Uhr und war so verzweifelt, dass er lachen musste. Er hielt dem Arch ivar seine Handzettel entgegen.
„Wenn ich die nicht bis heute Abend verteilt habe, spielt es keine Rolle mehr, was im Krieg gewesen ist.“
„Wieso das denn?“
Benno besann sich,
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