Invasion - Die Ehre des Clans - Ringo, J: Invasion - Die Ehre des Clans - Honor of the Clan
immer heißer werdende Flammen gewesen, die alles weggebrannt hatten, eine Welle nach der anderen, bis nur noch das nackte Metall übrig geblieben war, ein Metall, von dem sie keine Ahnung hatte, wer es eigentlich wollte und wozu. Ob eine rigorose, schier gnadenlose, göttliche Vorsehung oder die gleichgültigen Mächte der Geschichte dafür gesorgt hatten, dass von all den Massen nur die widerstandsfähigsten überlebt hatten, wusste sie nicht. So wie sie das sah, war es beides gewesen, und die Würze des blinden Zufalls war noch hinzugekommen.
Das war ihre Lebensgeschichte. Andere Menschen retteten die Welt. Shari O’Neal hatte alle Hände voll damit zu tun gehabt, einfach bloß ihre Kinder zu retten.
Und das hatte zu ihrer Bekanntschaft mit Cally geführt.
»Ich nehme an, Papa hat dir nicht gesagt, wie wir die DAG-Leute ernähren, anziehen und unterbringen sollen?«, erkundigte sich Shari. »Ganz zu schweigen von ihren Angehörigen?«
»Warum müssen wir das eigentlich tun?«, fragte Cally dagegen. »Die Hälfte von ihnen sind Bane Sidhe. Na schön, die meisten davon sind O’Neals oder Sundays, aber das Ganze wäre trotzdem Nathans Sache.« Sie hielt inne und sah ihr Gegenüber an. »Habe ich recht?«
»Nein«, widersprach Shari und zuckte die Achseln. »Es ist ein wenig so wie bei einem jungen Hund. Wir haben sie reingeholt und deshalb müssen wir uns um sie kümmern. Nathan hat sich da ganz klar geäußert.«
»Na ja, er hätte es ja mit mir besprechen können«, gab Cally zurück.
»Er hat es mit DEM O’Neal besprochen«, sagte Shari, man konnte die großen Buchstaben förmlich hören. »Und deshalb hatte ich gehofft, dass Papa dir gesagt hätte, was er vorhat. Mir hat er erzählt, er hätte einen Plan, aber nicht, was das für ein Plan ist.«
Cally griff sich mit beiden Händen an den Kopf und drückte fest zu. Langsam wurde ihr klar, was es bedeutete, den Clan zu managen. Und dass die DAG jetzt noch zu der Last hinzukam, machte es zu einem echten Alptraum.
»Nee«, sagte sie. »Keine Ahnung. Aber die hier auf der Insel gehören doch zu den Bane Sidhe, oder?«
»Die meisten«, nickte Shari und biss sich auf die Unterlippe. »Und da ist noch etwas. Die sind jetzt ganz auf sich gestellt, und die meisten von ihnen haben nicht die leiseste Erfahrung damit. Ich … mache mir Sorgen um sie. Das wird Auswirkungen auf die Epetar … Geschichte haben.«
Aus Sharis Mund wog das schwer. Niemand, den Cally kannte, hatte einen solchen Überlebensinstinkt, und das schloss sogar Granpa schon mit ein. Sonst wäre sie jetzt nicht da.
Sie war so etwas wie eine Mama für alle. Wenn sie beschlossen hatte, dass diese Leute ihre Küken waren, so würde
nichts, aber auch gar nichts, sie davon abbringen. Jetzt, da die ganze Last auf Callys Schultern lag, musste sie staunen, dass Granpa in all den Jahren so wenig gemeckert hatte. Dann fiel ihr die alte Regel ein, dass Offiziere vor den Truppen nicht meckern dürfen, und sie setzte ihr Dienstgesicht auf und versuchte, sich etwas einfallen zu lassen. Etwas, das sie jetzt sagen konnte. Ah.
»Ich will versuchen, der Sache gerecht zu werden«, sagte Cally würdevoll und blinzelte Shari dann zu. »Wird gemacht.«
»Danke«, sagte Shari und stand auf. »Möchtest du Tee?«
»Sehr gerne«, sagte Cally, während die andere den Raum verließ. »Jetzt wüsste ich am liebsten nur noch, wie ich das anstellen werde?«
Donnerstag, 24. Dezember 2054
Es war nach sieben, stockfinster, und vom Atlantik wehte ein eisiger Wind herein, als Cally schließlich dazu kam, Jake Mosovich und David Mueller aufzusuchen. Sie konnte sich gut an sie erinnern, so glaubte sie; da war ihr kurzer Besuch in Rabun Gap gewesen, als sie dreizehn Jahre alt und höchst kampflustig gewesen war – und dazu eifrig darauf bedacht, sich die Geheimnisse des Make-up zu erschließen und jenes andere, noch größere: Männer. Sie musste jetzt in Männerkategorien denken. Billy und die anderen Kinder, die mit Shari und Wendy zusammen waren, waren seit Ewigkeiten die einzigen Jungs, die sie zu Gesicht bekommen hatte, und die zählten nicht.
Jedenfalls hatten Jake und Mueller auf sie Eindruck gemacht. Mueller trotz seiner ziemlich schlimmen Narben im Gesicht, nämlich wegen der Art und Weise, wie er sie angesehen hatte. Oh, das waren nicht etwa anzügliche Blicke gewesen, aber wenn man hinsah und er nicht aufpasste, hatte man es doch bemerkt. In ihr hatte es ein Gefühl von …
Macht aufkommen lassen.
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