Inversionen
ich kannte Feulecharo und hielt ihn nicht für fähig, den Herzog umzubringen. Vielleicht verhielt sich der König übertrieben nachsichtig, indem er nicht zuließ, daß die beiden Liebenden, Droythir und Ouljeval, durch Ralinge verhört wurden (obwohl ich vermute, daß man den beiden die Folterkammer gezeigt und die Bedeutung der Instrumente erklärt hat), aber ich glaube nicht, daß irgendwelche weiteren der Wahrheit entsprechenden Informationen aus ihnen herauszubringen gewesen wären.
Polchiek wäre es vielleicht sehr recht gewesen, wenn man einen Sündenbock gefunden hätte, und Quettil tobte und kochte noch monatelang im privaten Kreis, so wird erzählt, aber außer daß er Polchiek eines seiner kleinen Anwesen wegnahm, konnte er nicht viel tun. Polchiek hatte für den Ball zahlreiche zusätzliche Wachen abgestellt und hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um sicherzustellen, daß nichts Widriges eintrat.
Feulecharo hatte Glück, glaube ich, daß er der dritte Sohn eines der wohlhabenderen Barone von Herzog Walen war. Wenn er von niedrigerer Herkunft gewesen wäre, anstatt nur zwei kränkliche Brüder von einem nicht unbeträchtlichen Titel entfernt, wäre es ihm selbst vielleicht beschieden gewesen, die Gastfreundschaft von Meister Ralinge zu erfahren. Wie die Dinge lagen, stimmte man allgemein darin überein, daß sein guter Familienname es beinahe undenkbar machte, daß er mit dem Mord an dem Herzog mehr zu tun gehabt haben könnte als das, was er erzählt hatte.
16. Kapitel
Der Leibwächter
»Ich wünschte, ich könnte mitkommen, Herr DeWar. Könntet Ihr nicht meinen Vater darum bitten? Er hält Euch für sehr klug.«
DeWar sah peinlich berührt aus. Die Dame Perrund lächelte ihn nachsichtig an. Von seiner hohen Warte aus sah der Chefeunuche Stike herab, fett und stirnrunzelnd. DeWar trug Reitstiefel. Er hielt einen Hut in der Hand, und ein schwerer schwarzer Umhang lag zusammengefaltet neben ihm auf der Couch, zusammen mit zwei Satteltaschen. Der Protektor hatte entschieden, daß es an der Zeit sei, aufgrund des schwankenden Verlaufs des Krieges in Ladenscion den Befehl dort persönlich zu übernehmen.
»Du bist hier besser aufgehoben, Lattens«, erklärte DeWar dem Jungen und streckte die Hand aus, um dessen rotblondes Haar zu kraulen. »Du mußt gesund werden. Der Zustand des Krankseins ist mit dem der Belagerung zu vergleichen, verstehst du? Dein Körper ist wie eine große Festung, die von einer feindlichen Armee angegriffen wurde. Du hast sie zurückgeschlagen, du hast sie davongejagt, aber du mußt besonnen sein, um deine Kräfte zu sammeln und die Mauern wiederaufzubauen, deine Katapulte auf Vordermann zu bringen, deine Kanonen zu putzen, deinen Munitionsvorrat aufzustocken. Verstehst du? Erst wenn dein Vater der Ansicht ist, daß die große Festung wieder in Ordnung kommt, kann er sie verlassen und in den Krieg ziehen.
Darin liegt also deine Pflicht. Weiterhin gesund zu werden. Ganz gesund zu werden.
Natürlich würde dein Vater lieber hier bei dir bleiben, wenn er könnte, aber er ist so etwas wie ein Vater für all seine Männer, verstehst du? Sie brauchen seine Hilfe und seine führende Hand. Deshalb muß er zu ihnen gehen. Du mußt hierbleiben und deinem Vater helfen, den Krieg zu gewinnen, indem du dich erholst, indem du die große Festung wieder instandsetzt. Das ist deine Pflicht als Soldat. Glaubst du, du schaffst das?«
Lattens blickte hinunter auf die Polster, auf denen er saß. Die Dame Perrund strich sanft seine Locken wieder an ihren Platz. Er spielte mit einem losen Goldfaden an der Ecke eines Polsters. »Ja«, sagte er mit belegter Stimme, ohne aufzublicken. »Aber ich würde wirklich gern mit Euch und Vater gehen, wirklich.« Er sah DeWar an. »Seid Ihr sicher, daß ich nicht mitkommen kann?«
»Ich fürchte, ja«, antwortete DeWar leise.
Der Junge seufzte und senkte den Blick wieder. DeWar lächelte Perrund an, die Lattens betrachtete.
»Oh«, sagte Perrund. »Sagt, mein Herr, ist dies der General Lattens, der sich so siegreich an Katapulten zu betätigen pflegt? Ihr müßt Eure Pflicht tun, General. Euer Vater wird in nicht allzu langer Zeit zurück sein. Und auch Herr DeWar.« Sie lächelte DeWar erneut an.
»Unseres Wissens«, sagte DeWar, »könnte der Krieg sogar schon vorbei sein, wenn wir dort hinkommen. So geht es manchmal in Kriegen.« Er spielte mit seinem großen, gewachsten Hut herum, dann legte er ihn auf seinen dunkelgrünen Umhang. Er
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