Inversionen
König bedachte Quettil mit einem zurückhaltenden Lächeln. »Es war die Gepflogenheit meines Vaters, größere Schlachten jenen anzuvertrauen, die von frühester Jugend an zur Kriegsführung ausgebildet wurden und sonst zu gar nichts. Meine Adeligen beschäftigen sich mit ihren Ländereien und ihrem Müßiggang. Sie richten sich Harems ein, verschönern ihre Paläste, fördern künstlerisches Schaffen, manipulieren die Steuern, von denen wir alle profitieren, und überwachen die Verbesserung des Landes und die Renovierung der Städte. In der neuen Welt, die jetzt um uns herum existiert, scheint das mehr als genug – in der Tat vielleicht sogar zuviel – zu sein, worüber sich ein Mann Gedanken machen muß, ohne daß er sich auch noch mit den Anforderungen des Krieges auseinandersetzt.«
Herzog Ormin stieß ein kurzes Lachen aus. »König Drasine pflegte zu sagen«, warf er ein, »daß Krieg weder Wissenschaft noch Kunst sei. Es ist ein Handwerk mit einem Anteil an sowohl wissenschaftlichen als auch künstlerischen Elementen, aber jedenfalls ein Handwerk, das man am besten den dafür ausgebildeten Handwerkern überläßt.«
»Aber, Majestät!« protestierte Ulresile.
Der König hob die Hand, um ihn zu beschwichtigen. »Ich zweifle nicht daran, daß Ihr und Eure Freunde durchaus in der Lage seid, so manche Schlacht zu schlagen, ohne jede Hilfe, und Euch leicht mit jedem meiner bezahlten Generälen messen könnt, doch wenn Ihr den Tag gewinnt, könntet Ihr möglicherweise das Jahr verlieren und sogar die Herrschaft gefährden. Die Dinge sind in den besten Händen, Ulresile.« Der König lächelte den jungen Herzog an, obwohl dieser es nicht sah, weil er mit zusammengekniffenen Lippen auf den Tisch starrte. »Dennoch«, fuhr der König fort, und seine Stimme hatte einen Klang von duldsamer Belustigung, die bewirkte, daß Ulresile kurz aufblickte, »haltet dieses Feuer stets am Lodern und Eure Klinge geschärft. Eure Zeit wird kommen.«
»Majestät«, sagte Ulresile und senkte den Blick wieder auf den Tisch.
»Also«, setzte der König an, dann drang ein Tumult an den Palasttoren in sein Bewußtsein.
»Hoheit…«, sagte Wiester, der stirnrunzelnd in dieselbe Richtung schaute und sich auf Zehenspitzen erhob, um besser sehen zu können.
»Wiester, was siehst du?« fragte der König.
»Einen Diener, Hoheit. Offenbar hat er es eilig. Genauer gesagt, er rennt.«
An dieser Stelle drehten sich sowohl die Ärztin als auch ich um, und zwar unter dem Tisch. Und tatsächlich, da eilt ein dicklicher Jugendlicher in der Uniform der Palastlakaien im Laufschritt den Weg herauf.
»Ich dachte, es wäre ihnen nicht erlaubt zu rennen, damit sie ja keine Steine über die Blumenbeete verstreuen«, sagte der König und hob sich die Hand über die Augen, um sie gegen die neue Neigung des Sonnenlichts zu beschatten.
»So ist es, Hoheit«, sagte Wiester und setzte sein strengstes und mißfälligstes Gesicht auf, während er zum Ende des Tisches ging und mit gewichtigen Schritten dem Jungen entgegentrat; dieser blieb vor ihm stehen und beugte sich vor, um sich mit den Händen auf den Knien abzustützen, während er japsend um Luft rang.
»Herr!«
»Was ist, Junge?« blaffte Wiester ihn an.
»Herr, ein Mord ist geschehen, Herr.«
»Ein Mord?« sagte Wiester, der einen Schritt zurückwich und in sich selbst hineinzuschrumpfen schien. Der Wachkommandant Adlain war sofort auf den Beinen.
»Was ist los?« fragte Quettil.
»Was hat er gesagt?« erkundigte sich Walen.
»Wo?« verlangte Adlain von dem Jungen zu wissen.
»Herr, in der Verhörkammer von Meister Nolieti, Herr.«
Herzog Quettil stieß ein kleines, schrilles Lachen aus. »Na und, ist das etwas Ungewöhnliches?«
»Wer wurde ermordet, Junge?« fragte Adlain, der sich neben den Diener stellte.
»Herr, Meister Nolieti, Herr.«
10. Kapitel
Der Leibwächter
»Es gab einmal ein Land, das hieß Felizien, und dort lebten Cousin und Cousine, deren Namen Sechroom und Hiliti waren.«
»Ich glaube, diese Geschichte habt Ihr schon erzählt, DeWar«, sagte Lattens mit dünner, krächzender Stimme.
»Ich weiß, aber das war noch nicht alles. Die Leben mancher Leute haben mehr als eine Geschichte. Das hier ist eine andere.«
»Oh.«
»Wie fühlst du dich? Geht es dir gut genug, um dir eine meiner Geschichten anzuhören? Ich weiß, daß sie nicht besonders spannend sind.«
»Mir geht es gut genug, Herr DeWar.«
DeWar schüttelte die Kissen des Jungen auf und gab
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