Inversionen
eigenes Picknick mitgebracht hatten. Sie aßen also, sie schwammen in dem Teich am Fuß des Wasserfalls, und sie spielten ein paar Runden Verstecken und so weiter, und irgendwann sagte Hiliti, er kenne ein besonderes Spiel, das er Sechroom zeigen wolle. Hiliti bat die anderen beiden Freundinnen, zu bleiben, wo sie waren, nämlich am Teich, während Hiliti und Sechroom den Berg hinaufkletterten, bis sie oben am Wasserfall waren und ganz dicht an der Kante standen, wo das Wasser hinabstürzte.
Nun, Sechroom wußte nichts davon, aber Hiliti war tags zuvor schon einmal dort hinaufgeritten und hatte neben dem Wasserfall ein Holzbrett versteckt.
Hiliti holte dieses Brett aus dem Gebüsch und sagte, daß Sechroom auf dem einen Ende des Bretts stehen müsse, während das andere Ende über den Sturz des Wassers hinausragte. Dann würde Hiliti auf der Brett hinausgehen, bis ans Ende, aber – und an dieser Stelle bekam es Sechroom ein wenig mit der Angst zu tun - Hiliti wollte eine Augenbinde anlegen, damit er nicht sähe, was er tat. Sechroom sollte ihn anleiten, und bei dem Ganzen ging es darum herauszufinden, wie weit Sechroom ihn auf dem Brett gehen lassen würde. Wie weit trauten sie einander wirklich? Das war die Frage.
Dann, vorausgesetzt Hiliti würde nicht von dem Brett fallen und sich auf den Felsen unter ihnen zu Tode stürzen oder, falls er Glück hatte, die Felsen verfehlen, jedoch im Teich landen, wäre Sechroom an der Reihe, und sie müßte das gleiche tun, während Hiliti am Ende des Bretts stand und Sechroom anwies, weiterzugehen oder stehenzubleiben. Sechroom war von dem Ganzen nicht sehr überzeugt, schließlich willigte sie jedoch ein, weil sie nicht den Anschein erwecken wollte, als fehle es ihr an Vertrauen. Jedenfalls legte Hiliti die Augenbinde an, bat Sechroom, die über den Rand ragende Länge des Bretts zu bestimmen, bis sie damit zufrieden war, dann trat er auf das Brett und ging tapsend und wackelnd bis zum Ende, mit ausgestreckten Armen. So.«
»Ist er hinuntergefallen?«
»Nein. Sechroom hieß ihn stehenzubleiben, als er ganz am Ende des Bretts war und Hiliti den Rand fühlen konnte. Hiliti löste die Augenbinde und stand da, mit ausgestreckten Armen, und winkte den beiden Mädchen zu, die tief unten saßen. Sie jubelten und winkten. Hiliti machte vorsichtig kehrt und ging zurück zur sicheren Felskante; dann war Sechroom an der Reihe.
Sechroom legte die Augenbinde an und hörte, wie Hiliti das Brett so hinlegte, daß es über den Sturz hinausragte. Dann trat sie darauf und rutschte mit den Füßen langsam und behutsam tastend nach vorn, wobei sie die Arme zur Seite ausgestreckt hielt, genau wie Hiliti es getan hatte.«
»So.«
»So. Nun, das Brett wackelte auf und ab, und Sechroom hatte große Angst. Ein Wind war aufgekommen, und er blies gegen Sechroom und machte sie noch ängstlicher, doch sie tastete sich mit den Füßen weiter zum Ende des Bretts, das ihr inzwischen sehr weit entfernt zu sein schien.
Als sie genau am Rand angekommen war, heiß Hiliti sie anzuhalten, und sie tat es. Dann hob sie langsam die Hände zum Hinterkopf und löste die Augenbinde.«
»So.«
»So. Sie winkte den Freundinnen zu, die unten im Gras standen.«
»So.«
»So. Dann machte sie kehrt, um auf dem Brett zurückzugehen, und in diesem Augenblick trat Hiliti von dem Brett herunter und ließ es und Sechroom in die Tiefe stürzen.«
»Nein!«
»Doch! Das Brett fiel allerdings nicht sehr weit, weil Hiliti es an seinem Ende mit einem Stück Schnur festgebunden hatte, Sechroom fiel jedoch kreischend in den Teich am Fuß des Wasserfalls; sie prallte mit einem unglaublich lauten Klatschen aufs Wasser und verschwand. Ihre beiden Freundinnen sprangen sofort ins Wasser und tauchten, um zu helfen, während Hiliti ruhig das Brett wieder heraufzog und sich dann an den Rand des Felsens kniete und hinabsah, um zu warten, bis Sechroom wieder an die Oberfläche käme.
Doch Sechroom kam nicht an die Oberfläche. Die beiden anderen Freundinnen schwammen herum und suchten sie und tauchten in die Tiefe des Teiches und suchten in dem Steingeröll am Rand des Gewässers, doch sie fanden keine Spur von Sechroom. Oben auf dem Fels wurde Hiliti von Entsetzen gepackt über das, was er getan hatte. Er hatte nur beabsichtigt gehabt, Sechroom eine Lektion zu erteilen, um ihr zu zeigen, daß man nicht jedem trauen durfte. Er wollte grausam sein, um etwas Gutes zu bewirken, denn er dachte, daß Sechrooms Vorstellungen eines Tages
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