Inversionen
Wachkommandant mögen sich dazu entschließen, Euch ihre etwas würzigen Bemerkungen zu ersparen, aber vielleicht tun sie das auch nicht; ich kann mir jedoch vorstellen, daß Ihr dennoch nicht erröten werdet. Adlain.« Der König wandte sich an den Wachkommandanten.
»Sehr wohl, Euer Majestät. Aus mehreren Berichten verlautet, daß ein Mitglied einer Delegation der Meeresgesellschaft vor zwölf Tagen den Versuch eines Anschlags auf den Königsmörder UrLeyn unternommen hat.«
»Wie bitte?« rief der König aus.
»Gehe ich recht in der Annahme, daß wir den Schluß ziehen müssen, es handelt sich um einen mißlungenen Versuch?« sagte Walen.
Adlain nickte. »Der ›Protektor‹ kam ungeschoren davon.«
»Welche Meeresgesellschaft ist dabei im Spiel«, fragte der König mit zusammengekniffenen Augen.
»Eine, die es in Wirklichkeit wahrscheinlich gar nicht gibt«, antwortete Adlain. »Eine, die sich mehrere der anderen eigens ausgedacht haben, um diesen Versuch zu unternehmen. In einem einzigen Bericht steht, daß die Mitglieder der Delegation unter Qualen zu Tode kamen, ohne etwas anderes zu enthüllen als ihr eigenes trauriges Unwissen.«
»Das beruht auf all dem Gerede über die Schaffung einer Marine«, sagte Walen und sah Quience an. »Es ist töricht, Euer Majestät.«
»Vielleicht«, stimmte der König zu. »Aber es hat den Anschein, als müßten wir derzeit die Torheit unterstützen.« Er sah Adlain an. »Nehmt Verbindung zu allen Häfen auf. Sendet eine Nachricht an alle Gesellschaften, die unsere Gunst genießen, des Inhalts, daß jeder weitere Versuch eines Anschlags auf UrLeyns Leben unser tiefstes und folgenschwerstes Mißfallen erregen wird.«
»Aber, Euer Majestät!« protestierte Walen.
»UrLeyn genießt weiterhin unsere Unterstützung«, sagte der König lächelnd. »Wir können uns nicht öffentlich gegen ihn stellen, so sehr uns sein Ableben auch gefallen würde. Die Welt ist ein veränderter Ort, und zu viele Leute beobachten Tassasen, um zu verfolgen, was dort geschieht. Wir müssen der Vorsehung vertrauen, daß das königsmörderische Regime durch sein eigenes Zutun versagt und so andere von seiner Falschheit überzeugt. Wenn man uns dabei sieht, wie wir eingreifen, um seinen Niedergang von außen herbeizuführen, werden wir bei den Skeptikern lediglich die Überzeugung vertiefen, daß es einen Verrat gegeben haben muß und damit – nach ihrer Denkweise – dem Unterfangen etwas Verdienstreiches anhaftet.«
»Aber, Euer Majestät«, sagte Walen, der sich vorbeugte und an Quettil vorbeisah, so daß sein altes Kinn beinahe auf dem Tisch lag, »die Vorsehung verhält sich nicht immer so, wie wir ein Recht haben zu erwarten. Ich mußte das in meinem persönlichen Leben bei zu vielen Gelegenheiten beobachten, Hoheit. Selbst Euer lieber Vater, ein Mann ohne seinesgleichen in derlei Angelegenheiten, neigte manchmal zu sehr dazu, darauf zu warten, daß die Vorsehung in ihrer überaus schmerzlichen Langsamkeit etwas erledigen möge, was durch ein schnelles und sogar gnädiges Handeln in einem Zehntel der Zeit hätte erreicht werden können. Die Vorsehung bewegt sich nicht mit der Schnelligkeit und Zielstrebigkeit, die man erwarten oder wünschen würde, Euer Majestät. Manchmal ist es nötig, daß man der Vorsehung einen Anstoß in die gewünschte Richtung versetzt.« Er ließ den Blick trotzig über die anderen schweifen. »Jawohl, und zuweilen einen kräftigen Stoß, wie ich bemerken möchte.«
»Ich dachte, ältere Männer raten für gewöhnlich zur Geduld«, sagte Adlain.
»Nur, wenn diese angebracht ist«, entgegnete Walen. »In diesem Fall ist sie es nicht.«
»Dennoch«, sagte der König mit unerschütterlichem Gleichmut. »Was mit General UrLeyn geschehen wird, wird geschehen. Mein Interesse in dieser Hinsicht geht in eine bestimmte Richtung, wie Ihr Euch denken könnt, mein lieber Herzog Walen, doch weder Ihr noch irgend jemand sonst, der sich meiner Gunst in einem erwähnenswerten Maß erfreut, kann das voraussehen. Geduld kann ein Mittel sein, um die Dinge bis zu einem angemessenen Zustand reifen zu lassen, der ein Handeln sinnvoll macht, und nicht nur eine Art und Weise, die Zeit verrinnen zu lassen.«
Walen sah den König eine geraume Zeit an, dann fand er sich offenbar mit dem ab, was der König gesagt hatte. »Vergebt einem alten Mann, für den das geringste Maß an Geduld möglicherweise bis über sein eigenes Grab hinausreichen mag, Euer Majestät.«
»Wir wollen hoffen,
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