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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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Nebel konnte sie nur wenige Meter in beide Richtungen des Flusses sehen: honiggelbe College-Gebäude, überhängende Bäume, der Direktorengarten und eine kleine Gruppe von Stakkähnen, die über den Winter unter der Brücke vertäut waren. Erneut holten Kate Bilder aus der Vergangenheit ein, und sie fröstelte.
    In Serenas und Susans Zimmer hatten sie sich alle vier betrunken - Serena, Susan, Hattie und Kate - und Heather. Auch Heather war dort gewesen. Sie hockten im Schneidersitz oder mit angewinkelten Beinen auf den Betten. Kate erinnerte sich, dass ihre Position auf dem Fußende ungemütlich gewesen war. Heather saß auf dem Boden und sah aus, als wäre ihr ebenfalls unbequem. Sie hörten Musik. Eine von ihnen, vermutlich Serena, hatte einen Walkman und dazu passende kleine Boxen mitgebracht. Kate war es wie ein verlockender Vorgeschmack aufs Studentenleben erschienen: Wein, Musik und eine Unterhaltung, die ihr höchst intellektuell vorgekommen war.
    Als der Wein ausgetrunken war, stiegen sie auf härtere Sachen um, auf Whisky, Wodka und Gin. Kate hielt sich an ihrem Glas fest und nippte so zaghaft an ihrem restlichen Wein, wie sie konnte. Hochprozentiges machte ihr Angst, weil sie weder wusste, wie stark die Sachen tatsächlich waren, noch einschätzen konnte, wie viel sie trinken könnte, ohne die Kontrolle zu verlieren. Aber niemandem schien aufzufallen, dass sie nicht mittrank. Ausnahmsweise achtete niemand auf sie. Es war Heather, die von allen beobachtet wurde, Heather, auf die sie Druck ausübten. Und es war Heathers Glas, das fortwährend nachgefüllt wurde.
    Hattie war gegangen, sie wollte eine ihrer Wodkaflaschen holen, um den Vorrat aufzustocken. Währenddessen wühlte Susan in ihrem Kulturbeutel, aus dem sie eine kleine Klarsichttüte mit einem weißen Pulver hervorzog. Kate wusste, dass es Drogen waren. Wahrscheinlich Kokain. Und sie bekam erst recht Angst. Auf keinen Fall wollte sie das Gesicht verlieren und uncool erscheinen, indem sie ablehnte oder irgendwas falsch machte. Andererseits wollte sie auf keinen Fall in Gegenwart dieser Mädchen, die sich jederzeit geschlossen gegen sie wenden könnten, die Kontrolle verlieren.
    Also entschuldigte sie sich. Sie sagte, dass sie nach Hattie sehen und ihr beim Suchen helfen wollte, irgendeine schwammige Ausrede. In ihrem gemeinsamen Zimmer hatte sie sich dann aufs Bett gelegt und vorgetäuscht, schrecklich müde zu sein oder Kopfschmerzen zu haben - genau wusste sie es nicht mehr. Jedenfalls hatte Hattie ihr gesagt, sie solle nur bleiben und ein bisschen schlafen. Und so konnte Kate entkommen.
    Heather hingegen schaffte es nicht. Sie hatte weniger Glück, die arme Heather. Stundenlang musste sie in Serenas und Susans Zimmer gewesen sein, gezwungen zu trinken und Kokain zu probieren, weil sie bei diesen merkwürdig netten Mädchen war, die sie in ihren erlesenen Kreis aufgenommen hatten. Sie musste sich bemüht haben, mit ihnen mitzuhalten, alles zu machen, was sie taten, bloß um als cool zu gelten und akzeptiert zu werden. Kate konnte sich sehr gut vorstellen, wie es für Heather gewesen war. Wahrscheinlich war Heather überhaupt nicht klar geworden, dass sie von ihnen allen verarscht wurde.
    In der Nacht war Kate wach geworden, als es vor ihrem Fenster lärmte. Sie setzte sich im eiskalten Zimmer auf und stellte fest, dass Hattie noch nicht im Bett war. Dann versuchte sie, aus dem Fenster zu sehen, doch die winzigen Rautenscheiben waren alt, das Glas rissig und vereist. Deshalb öffnete sie das Fenster und schaute hinaus in den Frostnebel. Viel konnte sie nicht sehen.
    Unten im Garten konnte sie einige Gestalten ausmachen, die sie jedoch nicht erkannte. Sie hörte Mädchenstimmen, die durch die eisige Luft klangen, und schemenhafte Umrisse bewegten sich im Direktorengarten. Außerdem war jemand auf der Mauer und balancierte über die Steine. Jemand in Rot. Plötzlich ertönte ein lautes Platschen, und die rote Gestalt war nicht mehr da. Erst wurde gelacht, gleich darauf gerufen, und mit einem Mal wurde alles still. Kurz darauf, verblüffend klar in der frostig diesigen Nacht, hörte sie Hatties Stimme, die sagte: »Ach du Scheiße! Was sollen wir jetzt machen?«
    Und jemand - Susan vielleicht oder Serena - bedeutete ihr zischend, ruhig zu sein.
    Wir haben etwas Furchtbares getan.

DREISSIG
     
    Durch die elende Kälte, die sich inzwischen in ihrem Mantel, auf ihrer Haut, bis in ihre Knochen festgesetzt hatte, ging Kate langsam zum Bahnhof zurück. Sie

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