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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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ihm etwas Mysteriöses unterkam, musste er die Wahrheit erforschen. Das war wie ein Zwang. Hier tat sich eine Story auf, und er musste ihr nachgehen. Aber Kate war nicht wohl bei dem Gedanken, was er herausfinden könnte.
    Sie nahm einen Happen Quiche von ihrem Teller und wollte sich dazu zwingen, ihn zu essen. Es war zwecklos. Bei dem Geruch von gebackenem Käse wurde ihr erneut übel. Stattdessen knabberte sie an einem Petersilienstängel von der Verzierung. Sie musste dringend wieder anfangen, richtig zu essen. Kate stand auf, stellte ihren Teller auf einem Tisch in der Nähe ab und ging im Raum umher, weil sie die Beine strecken und ihre Lethargie abschütteln wollte. Es gab Bereiche in Kates Leben, von denen sie Neil niemals erzählt hatte und die sie selbst vergessen wollte. Zum Beispiel hatte sie ihm kaum etwas über ihre Schulzeit gesagt. Er sollte nicht erfahren, wie unglücklich sie damals war, weil sie nicht noch einmal alles hochkommen lassen wollte. Es war vorbei. Sie hatte es hinter sich gebracht. Also verdrängte sie jene Zeit, und es war ihr gelungen, die schlimmsten Erlebnisse zu vergessen. Wenn man sich hinreichend anstrengte, konnte man Erinnerungen verschwinden lassen, wie Kate entdeckt hatte. Sie wollte nicht riskieren, sich all dem wieder zu stellen. Neil sollte keine alten Geister wecken.
     
    Neil rauchte nicht und hatte es auch nie versucht, jedenfalls nicht ernsthaft. Trotzdem steckte er sich in letzter Zeit hin und wieder aus gutem Grund eine Zigarette an. Seit dem allgemeinen Rauchverbot war das Rauchen nämlich eine ideale Möglichkeit, an Geschichten zu kommen. Das hatte er erkannt, als er über eine Messerstecherei an einer Kleinstadtschule in Cornwall recherchierte, in einem traurigen Nest, dessen Bewohner einst vom Zinnabbau gelebt hatten und das Welten entfernt schien von den Surfboards und Seafood-Restaurants der trendigen Küstenorte. Die Einheimischen waren extrem misstrauisch gegenüber der Presse, die unmittelbar nach dem Ereignis in Scharen einfiel. Überdies stand zu dem Zeitpunkt dauernd etwas über Messerstechereien in den Zeitungen. Die Journalisten hatten die Leute bedrängt und falsch zitiert, womit sie der vierten Gewalt im Staat insgesamt mächtigen Schaden zufügten, wie Neil fand.
    Neil und sein Produktionsteam kamen Monate später. Für ihre Sendung Nach den Schlagzeilen warteten sie gern ab, bis sich Staub über eine Geschichte gelegt hatte, ehe sie begannen, nach Informationen zu graben, die unmittelbar nach dem Geschehen nicht zutage getreten waren. Und als Neil dort in einem der Pubs saß, hatte er plötzlich begriffen, wo die wirklich interessanten Gespräche stattfanden: draußen auf dem betonierten Hof, der als Biergarten diente, wo sich die Einheimischen bei jedem Wetter in Trauben zusammendrängten und rauchten, als gelte es ihr Leben.
    Unter den Rauchern hatte sich eine neue Verbundenheit gebildet, ein »Wir gegen den Rest der Welt«-Gefühl. Sie waren zu einer Interessengemeinschaft verschmolzen, in die jeder aufgenommen wurde, der sich bei Wind und Wetter aus dem warmen Pub in einen schäbigen Hinterhof begab, um sich eine Zigarette anzustecken. Jeder Raucher war »einer von uns«. Und so hatte Neil angefangen, sich Zigaretten zu kaufen, die er mitnahm, wenn er hinter einer Story her war. Er rauchte nur ein oder zwei am Tag, stand dort bei den Rauchern, quatschte und gewann ihr Vertrauen, indem er sich ihnen als netter, bodenständiger Bursche darstellte, der ihre Sprache sprach und ihnen nicht die Worte im Mund verdrehte. Er suchte nicht nach Zitaten - das waren inoffizielle Unterhaltungen -, sondern wollte Vertrauen gewinnen, Ideen, Zugang zu einer abgeschotteten Gemeinschaft.
    Die Raucher beim Empfang nach Hatties Trauerfeier waren ein vollkommen anderer Schlag als die Leute in Cornwall, aber das Wir-Gefühl unter ihnen war dasselbe. Ob man Selbstgedrehte, Silk Cut oder billige Importzigaretten bevorzugte: Stolz und Kameradschaft verbanden alle Raucher, weil sie gemeinsam den Kragen hochklappten und dem Wetter trotzten. Als Neil sich draußen vor dem Hotelsaal an die Wand lehnte, bemerkte er zwei von Harriet Fox' Co-Stars aus der nachmittäglichen Soap. Oder Comedy-Serie. Wie immer das heute hieß. In den letzten Tagen hatte Neil sich die Serie bewusst angeschaut, und ihm war aufgefallen, dass sie auf geschickte Weise Soap-Elemente mit »Problemen« mischte. Vor allem aber war sie ein Segen für Schauspieler mittleren Alters mit mittelmäßigem Talent,

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