Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
Vom Netzwerk:
verschwommene Bild.
    »Wir haben etwas Furchtbares getan.« Wenn Neil den Satz aussprach, hörte er sich weniger dramatisch, weniger bedrohlich an. »Nach allem, was du mir erzählt hast, war sie sturzbetrunken. Vielleicht hat sie gar nichts Besonderes gemeint.«
    Kate spürte, dass er nur versuchte, sie zu beruhigen. Mit der Stiefelspitze malte sie Formen in den Kies. Wie konnte sie Neil begreiflich machen, warum sie dieser Satz verfolgte? »Aber sie hatte solche Angst. Als würde sie von jemandem verfolgt.«
    Natürlich hatte sie Neil diesen Teil der Geschichte bisher gar nicht erzählt. Sie sah ihn an und bemerkte, wie seine Augen interessiert aufleuchteten.
    »Hat sie denn jemand verfolgt?«, fragte er.
    »Ich glaube nicht. Nur ich, später dann, nachdem sie aus der U-Bahn gestiegen ist.« Sie verzog das Gesicht. »Hätte ich das doch bloß nicht gemacht, Neil. Ich wünschte, ich wäre ihr nicht nachgelaufen. Hätte ich sie doch einfach ignoriert. Ich muss ihr Angst eingejagt haben. Wahrscheinlich war es das Schlimmste, was ich tun konnte.« Kate überlegte und versuchte sich zu erinnern, was geschehen war, wie Hattie in den Wagen gestürzt war, betrunken, tollpatschig und verängstigt. »Nein, ich habe niemanden gesehen. Sie hatte Angst und war in Panik, aber ich glaube nicht, dass tatsächlich jemand hinter ihr her war.«
    »Also war sie sturzbetrunken und paranoid?«
    Zweifellos war das die einfachste Antwort. Sie sollte sie hinnehmen und ihr Leben weiterleben. Schließlich hatte sie versucht, Hattie zu helfen. Sie hatte alles getan, was sie konnte, aber leider war Hattie nicht mehr zu helfen gewesen.
    »Ja, du hast recht«, sagte sie. »Sie war sturzbetrunken und paranoid.«
    Nun kam die Trauergemeinde aus der Kirche, wie Kate am Knirschen der Schritte auf dem Kies hörte. Von der Bank aus konnte sie die Kirchentür sehen. Dunkel gekleidete Menschen traten in gemessenem Gang heraus und kondolierten Rosemary Fox an der Kirchentür. Einige umarmten sie, andere schüttelten ihr die Hand, und sie bedachte alle mit demselben traurig freundlichen Lächeln. Kate stand auf und wandte sich von der Kirche ab. Falls die große Frau im grünen Mantel tatsächlich Susan war, wollte Kate nicht, dass diese sie weinend sah. Sie streckte die Hand nach Neil aus.
    »Gehen wir!«
     
    Sie gingen ein Stück, vom Kirchhof die Straße entlang zum geparkten Wagen. Das schien Kate gutzutun, dachte Neil. Kate wirkte nach den Tränen ein bisschen weniger verkrampft, eher bereit zum Reden. »Kate, irgendwas erzählst du mir doch nicht. Warum setzt dir das so zu? Was macht dir an Hatties Worten so schwer zu schaffen?«
    Er konnte sehen, dass Kate versuchte, sich zu beherrschen. Sie rang die Hände, atmete tief ein und sagte dann: »Ich kannte Hattie nur einige Jahre, und das ist lange her, aber es war eine ziemlich ... wie soll ich sagen ... eine ziemlich intensive Freundschaft. Und jetzt geht mir der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass sie uns gemeint hat ... Also mit dem Furchtbaren, was das auch gewesen sein mag ... Dass wir das gemacht haben, Hattie und ich. Hat sie mich gesehen und sich an irgendwas erinnert, was wir getan haben? Etwas, das so schrecklich war, dass sie sich umgebracht hat?«
    Neil sah Kate an. Ihre Augen waren rotgerändert, ihr Gesicht verquollen, und sie wollte ihn nicht ansehen. Ihm fehlten die Worte, weil er nicht verstand, was sie ihm zu sagen versuchte. Seit einigen Tagen schon hegte er den leisen Verdacht, dass ihre Beziehung zu Hattie womöglich sexueller Natur gewesen war. Eine lesbisch angehauchte Schulmädchenerfahrung vielleicht. Das würde auch den Kummer erklären, die Heimlichtuerei und die Weigerung zu reden. Und als Kate sagte, ihre Freundschaft wäre »ziemlich intensiv« gewesen, glaubte Neil schon zu ahnen, was sie als Nächstes sagen würde. Aber es schien doch etwas anderes zu sein. Kate würde ein lesbisches Erlebnis nicht als »furchtbar«, bezeichnen. Peinlich höchstens, ja, das wohl eher.
    »Wie könntest du etwas Furchtbares getan haben und dich nicht erinnern, was es war?«
    »Wir haben früher viel getrunken, Hattie und ich.« Kate hob den Kopf und sah Neil einen Moment lang an, bevor sie den Blick wieder abwandte. »Naja, Hattie mehr als ich, aber trotzdem, ich habe eine Menge getrunken, wenn ich mit ihr zusammen war.«
    »Und?« Das war kein umwerfendes Geständnis. Immerhin waren für Kate schon zwei Gläser Wein eine Menge.
    »Ich meine wirklich eine Menge!« Sie flocht die Fransen

Weitere Kostenlose Bücher