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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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ihres Schals, sehr sorgfältig, als wäre das überaus wichtig.
    »Und du warst wie alt?«
    »Achtzehn, ungefähr. Der Sommer nach unserem Abschluss war der schlimmste.«
    »Ist er das nicht bei allen? Mein Gott, ich mag gar nicht daran denken, wie viele Pints ich in dem Sommer runtergeschüttet habe.« Neil begriff immer noch nicht, was Kate ihm zu sagen versuchte. Er konnte an ihrer Stirn sehen, dass sie sich sehr konzentrierte, angestrengt nachdachte.
    »Wir sind völlig ausgeflippt«, sagte sie. »Wir sind von einer Party zur anderen gezogen und sind in Clubs gegangen, und dann liefen die Dinge auch mal aus dem Ruder. Hattie probierte mit Drogen rum. Da wurde es dann unangenehm. Ich musste auf sie aufpassen und dafür sorgen, dass sie heil nach Hause kam.«
    »So betrunken könnt ihr doch unmöglich gewesen sein.«
    »Betrunken genug, um uns hinterher nicht an alles zu erinnern, was wir gemacht haben. Betrunken genug, um die Kontrolle zu verlieren. Es gibt ganze Nächte, an die ich mich überhaupt nicht mehr erinnern kann. Angenommen, wir haben da was gemacht? Angenommen, wir haben jemanden verletzt, was geklaut oder irgendwas Furchtbares getan?« Endlich sah sie ihm in die Augen, das Gesicht schmerzverzerrt und flehend.
    Außer Kontrolle zu geraten. Neil wusste, dass das die größte Angst seiner Frau war, schon immer, solange er sie kannte. Das einzige Mal, dass er sie betrunken erlebt hatte, war nach der Beerdigung ihrer Mutter gewesen. Hin und wieder fragte er sich, ob sie in ihrer Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Alkohol gemacht hatte. Das musste sie wohl. Was für ein kompliziertes Bündel von Problemen seine Frau doch mit sich herumtrug! Aber er wurde es nie leid, die Knoten zu entwirren, um sie zu verstehen, zu ergründen, was sie so einzigartig und besonders machte. Man heiratete jemanden, weil man sich verliebte und sich nicht vorstellen konnte, ohne den anderen zu leben. Andere warnten einen, dass die Verliebtheit aufhören würde. Aber niemand erwähnte, dass man sich auch noch mehr verlieben könnte.
    Nun sah er sie an, wie sie angespannt und in sich zurückgezogen die Arme vor dem Oberkörper verschränkte. Sie waren stehen geblieben, und Kate lehnte sich an eine Mauer. »Kate, was erzählst du mir nicht? Was ist wirklich zwischen dir und Hattie vorgefallen? Wie kam es, dass ihr den Kontakt verloren habt?«
    Kate schlang ihre Arme noch fester um sich und neigte den Kopf, als wollte sie sich so klein wie möglich machen.
    »Was ist passiert?«, hakte Neil nach, wobei er seine Stimme so sanft klingen ließ, wie er konnte.
    »Ich habe sie sterben lassen.«
    »In der U-Bahn-Station? Kate, du hast getan, was du konntest! Du hättest sie nicht retten können.«
    »Nein, nein, ich meine schon vor Jahren. Sie war übers Wochenende in Manchester, bei irgendeinem Freund, ihrem vielleicht, was weiß ich. Jedenfalls lud sie mich ein, hinzukommen und die Luxuswohnung zu genießen, nur übers Wochenende. Und ich fuhr hin. Wir sind abends losgezogen, und es ging richtig hoch her, also mit viel Trinken, ziemlich beängstigend. Am Ende habe ich uns zurück zu der Wohnung gelotst, weil Hattie total ausgeknipst war. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war. Und kaum hatte ich sie in der Wohnung, brach sie zusammen. Normalerweise hätte ich sie wieder wachgeschüttelt oder sie wenigstens in die stabile Seitenlage gebracht und sie zugedeckt oder irgendwas. Aber ich hatte die Schnauze voll. Ich war müde, total erschöpft und genervt. Also ließ ich sie da sturzbesoffen auf dem Fußboden liegen, und sie atmete kaum noch. Sie war auffallend blass und schwitzte. Ich hätte einen Krankenwagen rufen müssen. Stattdessen habe ich meinen Koffer gepackt, bin abgehauen und habe einen Frühzug nach London genommen. Das war's. Ich beschloss, sie nie wiederzusehen.
    In den Tagen danach habe ich immer wieder in die Zeitungen geschaut, denn ich war mir sicher, dass irgendwas über eine Frau drinstehen würde, die man tot in einer Luxuswohnung in Manchester aufgefunden hatte. Wahrscheinlich bin ich deshalb neulich in der U-Bahn hinter ihr hergelaufen. Ich wollte versuchen, sie zu retten. Ich konnte sie doch nicht wieder im Stich lassen.«
    »Kate, das ist idiotisch! Deine Freundin war außer sich, als sie sich umbrachte. Das hast du selbst gesagt. Es hatte nichts mit dir zu tun. Du hast erzählt, dass sie schreckliche Angst vor irgendwas oder irgendjemandem hatte. Mit anderen Worten: Sie hat paranoid auf dich gewirkt. Was sie gesagt

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