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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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grinste er nur und es war das selbstsicherste Grinsen, das ich je an Sam gesehen hatte.
    Wir stapften den Hügel einige Meter hinauf und setzten uns dann in die Nähe eines kleinen Baumes. Sam öffnete das zweite Bier. Die Trommeln waren an dieser Stelle lauter und über uns, aus dem steinernen Pavillon, drang Stimmengewirr zu uns herunter. Am Horizont ragten die beiden Türme irgendeiner Kirche in den Himmel. Sam grunzte.
    »Wann kommt Leo?«
    »Ich weiß es nicht. Hat gesagt, er kommt. Irgendwann halt.«
    »Irgendwann«, wiederholte ich leise. Ich ließ mich rücklings ins Gras fallen und versuchte, mich zu entspannen.
     
    Es dämmerte, die Sonne versank hinter den Türmen der Kirche und durch die warme Abendluft trommelten noch immer irgendwelche Südamerikaner; unaufhörlich, als hätte sie jemand wie Uhrwerke aufgezogen. Sam döste seit einer Stunde und reagierte auf Gesprächsversuche meinerseits nur noch mit einem Grunzen. Mir war schwummrig von den drei Bier und von all den Menschen, die den Hügel hinaufstapften und ihn wieder hinuntergingen.
    |138| In der Ferne sah ich einen Jungen auf den Hügel zugehen. Sein Gang war breit und federnd, fast hatte er etwas Feierliches an sich, wäre da nicht ein Seesack gewesen, den er geschultert hatte und der seinen Rumpf leicht nach unten beugte. Er trug marineblaue Baggypants und ein grünes kurzärmeliges Hemd. Auf seinem Kopf hatte er eine Schirmmütze, die er verkehrt herum trug. Es war Leo. Ich rüttelte Sam wach. Als er ihn sah, sprang er auf, winkte und rief seinen Namen. Doch Leo beschleunigte seine Schritte nicht, als verbot ihm seine Würde zu hetzen. Nur ein klein wenig zielstrebiger wurde sein Gang.
    »Sam«, sagte Leo, als er die Steigung genommen hatte, und gab ihm die Hand. Sam setzte zu einem Stotterschwall aus Fragen an, doch Leo wandte nur seinen Blick ab, drehte sich zu mir, gab mir die Hand und sagte meinen Namen.
    Er ließ seinen Seesack fallen und setzte sich neben uns in das langsam feucht werdende Gras und nahm sich eines der verbliebenen Augustiner. Er öffnete die Flasche mit seinem Feuerzeug und trank ein Viertel des Inhalts in einem Zug.
    »Wo warst du denn die ganze Zeit?«
    Anstatt zu antworten blinzelte er in die Abendsonne, die nun hinter diese Kirchtürme gesunken war, und zündete sich eine Zigarette an.
    Leo grinste, zog an seiner Zigarette und blies den Rauch schräg nach oben in den wolkenlosen Himmel.
    »Hier«, sagte er.

|139| Vierzehn
    In Leos Seesack befanden sich ein Kapuzenpulli, zwei T-Shirts , Wäsche, eine Bong und ein Beutel mit Gras. Er blickte verstohlen nach links und nach rechts über seine Schulter, bevor er die fußballgroße Plastiktüte aus dem Sack holte. Weder Sam noch ich hatten jemals so viel davon auf einem Haufen gesehen. Ich steckte meinen Kopf in die Tüte und sog den Duft ein. Ich griff hinein und wühlte darin herum. Harz blieb an meinen Fingern kleben. Ich leckte sie ab und gab die Tüte Sam. Es schmeckte bitter.
    »Das ist Wahnsinn. Wie viel ist das?«
    »Schätz mal!«, sagte Leo.
    »Ein K- K-Kilo ?«
    »Du Mongo!«, sagte Leo. »Weißt du, wie viel ein Kilo ist?«
    Sam zuckte mit den Schultern.
    »Ein Kilo ist viel mehr! Das sind 200   Gramm.«
    »200   G-Gramm .«
    Leo kramte aus seiner Hosentasche ein Longpaper hervor und begann, einen Joint zu drehen.
    »Bong rauchen ist zu auffällig hier«, sagte er. »Ich muss vorsichtiger sein, ich bin jetzt im Business.« Er |140| drehte den Joint aber nicht normal, sondern – und das war echt der Wahnsinn, weil das wirklich nur ganz wenige Leute konnten, aber Leo konnte es – er drehte den Joint verkehrt herum und leckte die Leckstelle von außen ab. Er verbrannte das restliche Papier und jetzt hatte er einen Joint, der nur aus
einer
Lage Papier bestand.
    Vom Sonnenuntergang war nur noch ein rötliches Schimmern übrig. Noch immer drangen die Schläge der Bongo-Trommeln den Hügel hinauf.
    Leo hatte ernst gemacht. Er war zum Zafko gegangen und hatte ihm 7000   Mark in bar auf den kleinen Couchtisch gelegt und dafür ein Kilo verlangt.
    »Du hättest mal sein Gesicht sehen sollen, als ich ihm die Kohle hingeblättert habe«, sagte er und drehte die Spitze des Joints vorsichtig in der Flamme des Feuerzeugs, damit dieser möglichst gleichmäßig abbrannte.
    Doch Zafko hatte einen Rückzieher gemacht. Er war für einen Moment in der kleinen Küche verschwunden, aus der es immer nach Kaffee und verkohlten Tiefkühlpizzen roch, und mit einer Plastiktüte

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