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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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voller Gras zurückgekehrt.
    »200   Gramm wollte mir der Wichser nur geben. Er hat gesagt, mehr hat er nicht.«
    Auch der Preis war plötzlich ein anderer, als die beiden vereinbart hatten: Statt einem Kilo für 7000   Mark waren es nun 1600   Mark für 200   Gramm, die Zafko von Leo verlangte. Aus dem 7er-Preis war ein 8er-Preis geworden.
    »Ist aber auch okay«, sagte Leo. »Aus den 1600   Mark |141| mache ich dann eben 2000   Mark. Das ist für den Anfang auch nicht schlecht. Ich muss halt jetzt das Gramm einzeln für zehn Mark verkaufen.«
    Er blies einen Rauchschwall in die Luft und reichte mir den Joint. Die letzten Tage war er durch den Englischen Garten gelaufen und hatte Passanten, die ihm wie Kunden aussahen, gefragt, ob sie Gras kaufen wollten.
    »Wie viel hast du schon verkauft?«, fragte ich.
    Er nahm einen Schluck Bier.
    »Na ja, das Geschäft läuft ja erst an, aber so zehn Gramm bin ich losgeworden.«
    »Wenn du zwei Tage brauchst, um zehn Gramm zu verkaufen, dauert es noch 38   Tage, bis du den Beutel leer hast.«
    »Das ist eine Scheißrechnung. Ich bin doch erst am Anfang. Jedes Geschäft braucht ein bisschen, bis es richtig läuft. Du hast keinen Plan. Du musst immer alles miesreden«, seine Stimme dröhnte, ich sah auf das Gras unter mir. Er nahm noch einen Schluck Bier und atmete tief ein und aus.
    »Es wird gehen«, sagte er leiser. »Es wird klappen.«
    »Lass mich endlich auch mal!«, schrie Sam plötzlich. Er beugte sich über Leo und riss mir den Joint aus den Fingern. Leo und ich erschraken beide.
    »Beruhig dich mal«, sagte ich. Sam trug noch immer seine Sonnenbrille, obwohl es dafür längst zu dunkel war. Er zog hastig an der halb abgebrannten Lulle, als sei es ein Asthmaspray, das er dringend benötigte.
    »Halt’s Maul!«, sagte er und dann begann er wieder, mit dem Kopf zu nicken. Er bewegte sich nicht im Takt |142| der Bongos, es war mehr so, als sei da ein Rhythmus, den nur er selbst hören konnte.
    »Leo«, sagte ich, »Freitag gehen wir ins Terminal. Der Schenz organisiert das. Wir machen noch mal alle was zusammen.«
    Leo nickte nur, es schien ihn nicht weiter zu interessieren. Er erzählte von den Leuten, die er in den letzten beiden Tagen hier im Park kennengelernt hatte. Einer nannte sich Joe. »Hat schiefe Zähne und ist klein«, sagte Leo. »Sieht aus wie eine Ratte und sagt immer, er habe Zigeunerblut. Er sagt, dass er ein Dieb ist. Aber witziger Typ, quatscht jedes Mädchen an, das ihm über den Weg läuft.«
    Joe schuldete Leo noch 30   Mark für drei Gramm Gras. Er hatte ihm versprochen, sie ihm zu geben, wenn sie sich das nächste Mal über den Weg liefen. Er sei sowieso immer hier, hatte ihm Joe versichert. Das war gestern Nachmittag gewesen und seitdem hatte Leo Joe nicht mehr gesehen. Den anderen nannten alle »Coconut« oder einfach nur »Coco«. Ich fragte Leo, ob Coconut immer mit einer Kokosnuss herumlaufe. Nein, sagte Leo, der Coconut habe zu viel LSD genommen und sei hängen geblieben. Seitdem sei er der festen Überzeugung, eine Kokosnuss zu sein. Eine einsame Kokosnuss, die allein im weiten Ozean vor sich hin treibe. »Aber wirklich ein cooler Typ«, sagte Leo. Sogar an ein paar Hooligans habe er Gras verkauft. Und morgens, wenn die Sonne aufging, kämen immer ein paar aus dem Terminal auf Pille oder so, um hier im Grünen noch einen Joint zu rauchen und runterzukommen. »Hier passieren |143| wirklich abgefahrene Sachen«, sagte Leo und es war dunkel geworden. Sam hatte seine Sonnenbrille nicht abgenommen und nickte noch immer mit dem Kopf.
    Leo stand auf und packte seinen Seesack zusammen.
    »Gehen wir hoch«, sagte er und wir standen auf.
    Ein gepflasterter Pfad wand sich um den Pavillon herum und bereits nach der ersten Biegung schepperte uns so eine Art Goa-Trance aus einem Kassettenrekorder entgegen. Sam nickte schneller. Nach und nach verdrängte die Musik aus dem Kassettenrekorder die Klänge der letzten Bongo-Trommler. Nach der zweiten Biegung zündete ich mir eine Zigarette an und zog die Kapuze meines Pullis tief ins Gesicht.
    Wir nahmen die letzte Biegung. Unter dem Säulenpavillon saßen etwa 15   Personen. Überall waren Kerzen aufgestellt. Ein Hippie-Mädchen mit Dreadlocks saugte an einer Colaflaschen-Bong, ihre halbglatzköpfige Freundin war in ein lila Tuch gehüllt. Vor ihnen war ein großes Batiktuch ausgebreitet. Es waren die Mädchen, die wir nachmittags an der Brücke getroffen hatten. Um sie herum tanzte ein drahtiger Kerl

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