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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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habe sie gesehen, wie sie sich in unser
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Haus geschlichen haben, um das Brot mit Gift zu präparieren. Das ist der wahre Grund für Gertruds Krankheit und auch mir trachten sie nach dem Leben! Sie wollen uns nicht haben in dieser Straße. Sie hassen uns, weil wir Fremde sind und anders als sie. Aber mich kriegen sie nicht. Ich esse ihr Brot nicht mehr, ihr todgeweihtes Teufelsbrot. Ab nun wird auch alles Wasser abgekocht und im Keller ist genug Platz. Lange können wir aber nicht mehr ausharren. Ich flehe Sie an, lieber Herr Dr.   Dommüller, helfen Sie uns, bevor es zu spät ist!
     
    Ergebenst,
    Hilde Stetlow
     
    Gegen Ende des Briefes war die ohnehin schon spitze und kantige Handschrift noch zackiger geworden, sodass die letzten Zeilen nur noch aus schwer entzifferbaren Spitzen bestanden. Ich blickte über meine Schultern zu den anderen hinauf. Sams sonnenbebrillter Kopf nickte noch immer, aber wenigstens war er einigermaßen im Takt, so fiel sein Tick nicht weiter auf. Ich zündete mir eine Zigarette an und öffnete den zweiten Umschlag.
     
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Sehr geehrter Herr Dr.   Dommüller,
     
    warum beantworten Sie meine Briefe nicht? Wo Sie doch die einzige Person sind, von der Gertrud und ich noch Hilfe erwarten können! Der Hass nimmt überhand und lange können wir ihm nicht mehr standhalten. Gertrud und ich haben nun schon seit drei Tagen nichts mehr gegessen. Unsere Vorräte sind ja vergiftet worden. Auf die Straße können wir nicht gehen. Dort lauern die Blagen und bewerfen uns mit Steinen. Gertrud geht es sehr schlecht, sie flüstert nur noch und verlangt nach Essen. Aber ich kann ihr doch nichts geben! Herr Dr.   Dommüller, wenn Gertrud mir sterben sollte, habe ich niemanden mehr. Dann bleibt nur der Hass. Im Keller ist genug Platz für meinen Hass. Dort sind Werkzeuge, mit denen   … Gewalt   … muss   … dieser Hass   …
     
    Die letzten Wörter konnte ich nicht mehr entziffern. Die Handschrift bestand nur noch aus spitzen Haken, die eher Runen als Buchstaben ähnelten. Ich hielt es nicht mehr aus. Ich sprang auf und lief zu Sam und Leo zurück, die noch immer bei Indien-Suse und ihrer Freundin saßen. Als ich vor ihnen stand, sah ich, wie sie ihre Hand von Leos Knie zurückzog.
    »Ich muss mit euch reden«, sagte ich und musste mir Mühe geben, die Musik zu übertönen.
    »Red halt«, sagte Leo.
    »Nicht hier, also, alleine meine ich.«
    |149| Murrend erhob sich Leo und ging mit mir einige Schritte zu den Stufen, auf denen Kerzen standen. Sam folgte uns.
    »Ihr müsst das lesen!«, beschwor ich die beiden und hielt ihnen die Briefe hin. »Sie sind aus dem Haus. Die beiden Schwestern, sie wurden verfolgt. Vielleicht waren sie auch verrückt. Oder beides. Das ist wie aus einem Horrorfilm!«
    Leo nahm lustlos einen der Briefe und überflog ihn. Er sagte »Krass« und gab ihn mir zurück.
    Sam sagte: »Ich kann das nicht lesen.«
    »Verdammt Sam! Vielleicht nimmst du endlich mal deine Sonnenbrille ab. Was ist eigentlich mit dir los? Bist du behindert oder was?«
    Sam sagte nichts, aber er setzte nun zum ersten Mal an diesem Tag tatsächlich seine Sonnenbrille ab und begann, die Buchstaben zu entziffern, wobei er hin und wieder ein Wort laut aussprach. Als er auch den zweiten Brief gelesen hatte, setzte er die Sonnenbrille wieder auf und ging zu Indien-Suse und Julia zurück.
    »Vielleicht ist in dem Haus ein Mord passiert«, sagte ich.
    »Kann schon sein«, sagte Leo.
    »Wie, ›kann schon sein‹? Ein Mord, verstehst du? Vielleicht hat diese Hilde Stetlow ihre Schwester umgebracht oder einen der Nachbarn und sie dann im Keller verscharrt.«
    Die Musik ging mir mittlerweile schwer auf die Nerven.
    »Ja, na und? Ist mir ehrlich gesagt scheißegal, ob da |150| irgendjemand wen umgebracht hat. Das ist doch alles lange her. Hat doch nichts mit uns zu tun. Im Gegenteil: Das heißt doch nur, dass wir kein schlechtes Gewissen haben müssen, dass wir das Geld genommen haben. So ein paar verrückte Alte!«
    »Vielleicht bringt das Geld Unglück!« Ich benutzte Sinas Worte.
    Leo sah mir plötzlich mit einem scharfen Blick in die Augen. Seine Pupillen funkelten im Kerzenschein und in diesem Moment wirkte sein Gesicht dämonenhaft wie die Tattoos auf dem Körper des wirren Tänzers. Hinter uns wirbelte dieser Coconut noch immer über den Marmorboden und der Pavillon hatte sich mittlerweile mit einer ganzen Horde von Hippies gefüllt. Leo fasste mich hart an der Schulter an. Dann legte er mit

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