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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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schwitzte wirklich |134| sehr, also mehr als normal. Auf seiner Stirn stauten sich Schweißperlen und unter seinen Achseln zog sich ein feuchter Fleck hinab bis zum Ende seines Brustkorbs. Sein Gesicht glänzte, als hätte er die letzte halbe Stunde in der Sauna verbracht. Ich fragte ihn, warum er nicht endlich seine beige Jacke ausziehe, die war nämlich ohnehin mit Grasflecken und anderen Schmutzspuren übersät. Sam sagte nur »Keinen Bock« und nahm einen Schluck Bier. Wir gingen über die steinerne Brücke, die über den Bach führte.
    Zwei Mädchen kamen uns entgegen. Die eine trug schulterlange Dreadlocks und einen Nasenring. Sie hatte einen lila Rock an und war größer als Sam und ich. Der Kopf der anderen war auf der linken Seite kahl rasiert. Sie mussten etwa 16 sein, vielleicht aber auch erst 14, so genau konnte ich das nicht sagen, aber sie waren, so meine Überzeugung in diesem Moment, verdammt schön, also wirklich schön, meine ich, weil sie nämlich gleichzeitig auch cool aussahen.
    Der einzige sinnvolle Plan schien mir deswegen: an den beiden vorbeigehen und im richtigen Moment kurz den Kopf zur Seite drehen und grinsen. Alles andere würde die Situation eskalieren und zu einem russischen Roulette der Peinlichkeiten werden lassen. Aber Sam beschleunigte seine Schritte und ging direkt auf sie zu. Er machte mir Angst. Ich versuchte, meine Bierflasche in meiner Hosentasche zu verstecken. Sam blieb abrupt vor den Mädchen stehen und nahm einen Schluck aus seiner Flasche. Ich blieb fünf Schritte hinter ihm und drehte mein Gesicht in eine andere Richtung.
    |135| »K-ke-kennt ihr das Monopo-, Monopolosteros?«
    Die mit dem halb rasierten Kopf wollte an Sam vorbei, als sei er der 27.   Kerl an diesem Tag, der sie auf eine dämliche Tour angrub. Ein Nasenring funkelte in der Sonne. Ihre Freundin mit den Dreadlocks sah Sam an und – das war ja das Unglaubliche – sie lächelte. Ich meine, wann lächelten Mädchen denn, wenn man sie ansprach? In Meining gab es das nicht, wirklich. Sam vergaß vor Schreck, seine Bierflasche wieder abzusetzen, und nuckelte nun an ihr, als sei sie ein überdimensionaler Schnuller.
    Sie fragte: »Das was?«
    Ich stand jetzt neben Sam, die Sonne stand schräg am wolkenlosen Nachmittagshimmel. Hinter den dreien lag das Grün und in etwa 100   Meter Entfernung war ein Hügel, auf dem sich ein kleiner Säulenpavillon erhob.
    Sam entfernte seine Bierflasche ein paar Zentimeter vom Mund, ganz so, als wolle er über den Flaschenhals pusten, um einen dumpfen Ton zu erzeugen.
    »Mono-, Molo-, Monolopol oder so was. Ein Hügel oder so was, so ein D-Dings halt mit S-Säulen , la-lateinisch irgendwie.«
    Das Mädchen lachte jetzt richtig und das war eigentlich noch unglaublicher, dass sie ihn jetzt nicht auslachte, sondern dass sie Sam auf irgendeine Art lustig fand. Dabei war sie auch noch einen halben Kopf größer als er.
    »Du meinst den Monopteros. Der ist da vorne.«
    Sie drehte ihren Körper zur Seite und zeigte auf den Hügel mit dem Säulenpavillon.
    |136| »Seid ihr Landeier?«, fragte ihre Freundin.
    »Nö«, antwortete Sam und ich dankte dem Sommer, der Stadt und allen für seinen Einfall, der jetzt aus seinem Mund klimperte: »Wir sind aus B-Berlin . Wir sind hier auf Klassenfahrt.«
    »Ihr seid aus Berlin?«, sagte die mit dem halb rasierten Kopf.
    »Berlin«, wiederholte ich.
    »Wie ist Berlin so?«, fragte die Große.
    »Cool«, sagte Sam.
    »Ja, Berlin ist cool«, sagte ich.
    »Cool.«
    »Und ihr seid dann wohl von   … hier.«
    »Ja«, antwortete sie.
    »Also der Monopteros ist dahinten«, sagte sie und dann gingen sie an uns vorbei. »Vielleicht sehen wir uns da später. Wir wollten heute Abend auch noch vorbeischauen.«
    »Sagt B-Bescheid , wenn ihr Geld braucht.«
    Doch Sams letzten Satz hörten sie nicht mehr. Sam hatte das sicher nett gemeint, aber das wäre ihnen bestimmt wieder zu direkt gewesen.
    Schweigend trotteten wir nebeneinander in Richtung des Hügels namens Monopteros. Von links hörten wir Trommeln, ab und zu zwitscherten Vögel und immer wieder knirschten Steine und Kies unter unseren Gummisohlen. Die Luft roch nach Sonnencreme, Tabakrauch und frisch gemähtem Rasen. Sam zog aus seiner Jackentasche eine Sonnenbrille hervor. Als er sie aufgesetzt hatte, war er fast vollständig vermummt. |137| Nur die untere Partie seines Gesichts war noch erkennbar.
    »Ray-Ban«, sagte er.
    »Du hast die gerade voll angemacht!«, sagte ich.
    Statt zu antworten,

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