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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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dröhnender Stimme so viel Gewicht, wie er aufbringen konnte, in jedes seiner Worte:
    »Unglück? Was-für-Unglück? Du-schaust-zu-viele-Horrorfilme! Kapiert?!«
    Wir gaben uns die Hand und stiegen die Stufen wieder hinauf zu Indien-Suse und Sam. Er saß im Schneidersitz mit dem Rücken zu uns. Etwas brannte. Plötzlich schrie Indien-Suse, ob er verrückt geworden sei? Davon könne man in Indien eine ganze Woche leben! Und außerdem gebe es dort jede Menge arme Kinder!
    Mehrere Blicke waren inzwischen auf ihn und das, was zwischen seinen Händen brannte, gerichtet.
    Sam verbrannte Geldscheine.
    Nur Coconut tanzte noch immer.

|151| Fünfzehn
    Schenz tippelte von einem Fuß auf den anderen. Ab und zu stellte er sich auf die Zehenspitzen, um über die Leute hinweg zum Ende der Schlange blicken zu können. Dann sank er zurück in seine ursprüngliche Position, blickte auf seine neue Rolex-Uhr und stöhnte, es dauere alles so unglaublich lange. Das könne doch nicht sein, der Türsteher sei doch ein Arschgesicht. Der geile sich doch nur an seiner Macht auf, der Mongo.
    Er sagte es leise genug, dass es weder die Leute vor uns noch hinter uns in der Schlange hören konnten. Sina rollte mit den Augen, ihr zum Pferdeschwanz zusammengebundenes Haar war längst feucht vom Regen und einzelne Strähnen kräuselten sich aus dem straff zurückgekämmten Schopf heraus. Es war offensichtlich, dass ihre Laune weder vom Schlangestehen noch vom Regen, sondern von Schenz herrührte. Schenz ignorierte das, weil er wohl wusste, dass jedes andere Verhalten zu einer Explosion führen könnte. Ich konzentrierte mich auf die Musik, die aus dem Gebäude drang. Nur konnte ich keine Melodie erkennen, ich hörte lediglich ein monotones, dumpfes Wummern.
    Schenz hatte darauf bestanden, zu irgendeinem |152| Techno-DJ, dessen Namen ich noch nie gehört hatte, ins Terminal zu gehen – und das, obwohl Schenz sich gar nicht so für Techno interessierte. Er hatte am Telefon versprochen, Karten zu besorgen. Die Sache mit dem Autokauf fiele aus, hatte er noch gemeint. Weil Sina mitkäme und er auch keine Zeit hätte, sich darum zu kümmern.
    Als wir uns vor zwei Stunden am S-Bahnhof getroffen hatten, musste er gestehen, keine Karten mehr bekommen zu haben. Das wäre aber überhaupt kein Problem, hatte er uns versichert, wir müssten ohnehin den Türsteher bestechen. Schließlich würden uns die Karten kaum weiterhelfen ohne einen Altersnachweis. Leo und mir war die Sache egal, der Abend würde ähnlich gut werden, wenn wir in den Laden nebenan gingen, um einfach nur Erdbeer-Limes und Bier zu trinken. Sam trug wieder seine Sonnenbrille. Seit der Aktion mit den Geldscheinen im Englischen Garten sprach er kaum noch, reagierte nur selten, wenn man ihn anredete, und flüsterte im Gehen hin und wieder unverständliche Wortfetzen vor sich hin. Manchmal war Sam mir unheimlich, aber viel öfter mussten wir einfach über ihn lachen. Ich meine, es schien ihm vollkommen egal zu sein, wohin wir an diesem Abend gingen. Nur Sina war es nicht egal; sie wollte unbedingt ins Terminal zu diesem Techno-DJ, und seitdem Schenz ihr zerknirscht gestanden hatte, keine Karten bekommen zu haben, redete sie nicht mehr mit ihm. Sie war einfacher gekleidet, als ich es vermutet hatte. Sie trug eine blaue Jeans und ein schwarzes Spaghettiträgertop, |153| über das sie eine Kapuzenjacke geworfen hatte.
    Noch etwa zehn Meter und 30   Personen lagen zwischen uns und dem Türsteher. Auf seine braune Lederjacke waren die roten Buchstaben der Marke »Chevignon« gestickt. Ich hatte noch nie einen Menschen bestochen, und wenn ich an das dachte, was Schenz vorhatte, kamen mir nur die Bilder irgendwelcher Mafia-Filme in den Sinn, in denen sich zwei Hände treffen und das Geld den Besitzer wechselt, als wäre es Handschweiß. Was aber zum Beispiel, wenn der Türsteher das Spiel nicht kapierte und den Schein nicht annahm? Vielleicht würde er auch einfach zu langsam reagieren und der Schein würde zu Boden segeln, auf dem nassen Asphalt landen. Vor uns hatte jemand tatsächlich einen Regenschirm aufgespannt und ich hätte in diesem Moment auch gerne einen besessen. Ich hätte ihn mit meiner Linken gehalten und rechts neben mich hätte sich Sina gestellt.
    »Hey, braucht ihr   … Braucht ihr vielleicht Gras?«
    Er hatte sich tatsächlich umgedreht und eine Gruppe von zwei Männern und zwei Frauen in orangenen Müllmännerhosen gefragt, ob sie Gras kaufen wollten. Die vier schüttelten den Kopf

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