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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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Wir tranken, dann biss Leo in seine Zitronenscheibe und bedeutete uns, ihm |160| das nachzumachen. Unabsichtlich hatten wir uns in einem Kreis aufgestellt. Wir wippten schüchtern im Takt, tanzen konnte man es nicht nennen. Sina streckte mir die Zunge raus. Ich lächelte, weil ich überhaupt nicht wusste, was das jetzt zu bedeuten hatte, aber sie lächelte zurück. Ich wurde rot.
    Zwei Lieder standen wir so im Kreis, dann ging ich zur Bar, brüllte dem Barmann »Fünf Erdbeer-Limes« entgegen und drückte ihm einen Fünfziger in die Hand. Ich bedeutete ihm mit der Hand, das Wechselgeld zu behalten. Ich drängelte mich zu unserem Kreis zurück, wobei mich abermals jemand anrempelte und nun auch Erdbeer-Lime über meine Hand schwappte. Das ärgerte mich. Noch war ich nicht betrunken genug, um dem Abend seinen Lauf zu lassen. Mehr trinken, mehr trinken. Irgendwann passiert alles von allein. Leo deutete auf Sam und begann zu lachen. Er trug sogar im Club seine Sonnenbrille, aber das war irgendwie lustig. In seinem Mundwinkel hing eine Zigarette, die er nicht mehr aus dem Mund nahm. Ich sah ein Lächeln auf Sinas Lippen, sie sah mich an und lächelte noch mehr. Leos Arm landete mit Schwung auf meiner Schulter. Er brüllte mir etwas ins Ohr, das ich nicht verstand, stattdessen spürte ich ein paar Speicheltropfen.
    »Was?«, schrie ich zurück.
    Wieder bewegte sich sein Mund an mein Ohr und dieses Mal fühlte es sich an, als spucke er mir direkt hinein.
    »Ich versteh nichts!«
    |161| Dann machte er mit der Hand eine Bewegung, die nach »scheißegal« aussah, und ging wieder in Richtung Bar. Selbst hier, in einem Club in der Stadt mit Hunderten von wirklich coolen Leuten, verlor Leo nichts von seiner Selbstsicherheit und bewegte sich wie ein König durch die Menge. Ich wusste nicht, wohin mit meinen Händen, und entschied mich für die einfachste Möglichkeit: Ich zündete mir eine Zigarette an. Während Schenz und ich noch immer etwas dämlich von einem Fuß auf den anderen wippten und Sam die Hände in den Hosentaschen vergrub, tanzte Sina jetzt richtig. Ihr ganzer Körper war in Bewegung, ihr Becken kreiste nach rechts und nach links, die Arme fielen locker nach unten, gleichzeitig bewegten sich auch noch ihre Füße. Ihr Haar fiel ihr mit jeder Bewegung ins Gesicht, sodass sie es ständig hinters Ohr klemmte. Diese Bewegung wiederholte sie ungefähr alle zwei Sekunden. Leo kam zurück und hielt nun fünf Bier in den Händen. Mir gelang es trotz großer Anstrengung nicht, alle meine Körperglieder derart synchron wie Sina zu bewegen. Nachdem ich es ein ganzes Lied lang versucht hatte, fiel mir Fabian ein, weil der nämlich mal gesagt hatte, Tanzen ist eher was für Schwule. Ich suchte mir eine Wand, um mich anzulehnen. Hier war es außerdem leiser.
    Sam stand neben mir. »Wir müssen aufpassen. Die v-v-verfolgen uns.«
    Ich schreckte auf und stand kerzengerade. »Wer? Die Typen vom Terminal?« Ich linste Richtung Eingang.
    »Nein, die anderen!«
    |162| »Wer?«, schrie ich.
    »D-die   … F- F-Frauen !«
    »Wel-che Frau-en?«
    Anstatt zu antworten, steckte er sich langsam eine Zigarette in den Mund. Er sah aus wie einer von den Blues Brothers. Er drehte sich um, ging ohne ein Wort zu sagen und tauchte in der tanzenden Menge unter.
    Ich trat meine Zigarette auf dem Boden aus. Schenz und Sina schrien sich gerade abwechselnd etwas ins Ohr und gestikulierten dabei hektisch. Irgendwo dort auf der anderen Seite der Tanzfläche mussten die Toiletten sein. Ich berührte vorsichtig Schultern, zwängte mich mit meiner Längsseite voran an Mädchen und Typen vorbei, von denen die meisten mich um einen Kopf überragten.
    Ich sah ihn vor dem Klo. Er war hässlich. Alles an ihm war schwammig. Seine Haut war blass und im Gesicht waren rote Flecken unregelmäßig verteilt. An den Seiten war sein Schädel kahl rasiert. Die wenigen dünnen, blonden Haare hatte er am Hinterkopf zusammengebunden. Er trug ein T-Shirt der Band Body Count und alles in allem sah er aus wie ein Schwein. Leo unterhielt sich mit ihm, und als er mich sah, winkte er mich mit drei schnellen Handbewegungen heran.
    »Das ist der Zafko,
der
Zafko.«
    Ich schüttelte eine weiche, etwas feuchte Hand.
    »Servus«, sagte der Zafko. Die erste Silbe zog er in die Länge und es wäre unglaublich lässig rübergekommen, hätte die Musik nicht alles verschluckt. So aber fragte ich: »Wa-as?«
    |163| »Ser-vus, du Mongo!«, brüllte Zafko.
    Er wandte sich wieder Leo zu und

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