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Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Titel: Irgendwann werden wir uns alles erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Krien
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lang. Am Ende werden alle Zutaten entfernt, das Fleisch vom Knochen gelöst und in kleine Stücke geschnitten. Übrig bleibt die klare Suppe mit dem Fleisch.
    Als er hereinkommt, bleibt er an der Tür stehen und riecht. Dann fällt sein Blick auf die Schürze, die ich im Schrank neben den Töpfen gefunden und schnell über das Kleid gezogen habe. Die ist noch von seiner Großmutter, die erst vor wenigen Jahren starb, fast neunzigjährig. Er kommt herüber, dreht mich einmal um, lacht und sagt: »Das gefällt mir.« Und während die Suppe kocht, gehen wir noch einmal in das Zimmer mit den Büchern.
    Später kleide ich mich langsam an, die Schürze liegt neben dem Bett, ich lasse sie liegen. Er steht am Fenster und sieht mir zu. Ein wehmütiger Zug legt sich über sein Gesicht, aber vielleicht ist es auch nur die Abenddämmerung, die ihn sacht verdüstert.
    Wir steigen die Treppen hinunter in die Küche, und ich richte die Suppe an. Er setzt sich an den Tisch und liest in einem Buch, und ich sage: »Lies es mir vor, Henner!«
    Seine Stimme klingt ruhig, er spricht die Worte langsam und betont: »Diese einsamen Menschen, so ungeschlacht und zu sehr ihren Trieben ergeben, aber voller Güte gegeneinander, gegen das Vieh und gegen die Erde!«
    »Das gefällt mir sehr«, unterbreche ich ihn und will wissen, wie es heißt, dieses Buch, doch er antwortet mir: »Komm bald wieder. Dann sage ich es dir«, und legt es lächelnd beiseite.
    Die Wöchnerinnensuppe schmeckt dem Henner vorzüglich , wie er ausdrücklich sagt. Tatsächlich fügt er noch hinzu, er habe noch nie eine so gute Hühnersuppe gegessen. Ich tue so, als wäre das normal; ich will ihm nicht zeigen, wie stolz ich bin. Doch als ich ihn später verlasse, zerspringt mir fast die Brust.

Kapitel 15
    AUF DEM WEG zum Brendel-Hof verschwindet das stolze Gefühl; ich komme mir niedrig und gemein vor. Da wartet also Johannes auf seine Freundin, die Frieda hat wahrscheinlich ein Abendessen vorbereitet, aber die Maria ist in jeder Hinsicht satt. Ich begreife nicht, wie ich sie so hintergehen kann, wo sie mich doch freundlich aufgenommen haben, die Brendels. Ich schäme mich schrecklich, nur bereuen kann ich es nicht.
    Es ist mein Glück, dass Johannes noch auf einer der Weiden beschäftigt ist, als ich komme. In spätestens einer halben Stunde aber wird es dort dunkel sein, eine viel zu kurze Zeit, um mir den entrückten Ausdruck aus dem Gesicht zu wischen. Ich habe es selbst im Spiegel gesehen, und der Henner hat gesagt: »Du siehst ganz anders aus, Maria. Viel schöner jetzt«, und ich frage mich, ob sie es nicht auch sehen werden, hier auf dem Hof. Aber sie sehen es nicht, und irgendwie mildert das mein schlechtes Gewissen. Fast wütend bin ich über ihre Ahnungslosigkeit. Nur der Alfred, der hat es gesehen. Beim Abendessen schaut der mich an, das jagt mir einen Schauer über den Rücken. Ich glaube nicht, dass er es gedacht hat. Er hat es gespürt . Er denkt ja nicht viel, aber einen guten Instinkt hat er.
    Mein armer Johannes ist so müde und ahnt nicht, wie froh mich das macht. Seine Erschöpfung rettet mich einstweilen. Beim Essen erzählt er, dass er sofort nach der Rückkehr des Vaters mit den Fotos vom Dorf beginnen will. Einige Leute aus dem Dorf hat er schon gefragt, und die meisten haben nichts dagegen. Die Marianne wird immer ganz still, wenn sie ihn von der Kunsthochschule sprechen hört. Jemand hat ihr erzählt, es gebe Drogen in der Stadt.
    Doch Johannes winkt ab und sagt, das interessiere ihn nicht, und dann meint er, an die Mutter gewandt: »Kommt der Henner manchmal in den Laden? Den wollte ich auch noch fragen, ob ich einmal zu ihm kann und den Hof fotografieren. Das könnten gute Bilder werden, mit den Hunden und den Pferden und dem alten Haus.« Marianne nickt und sagt, sie würde ihn fragen, wenn er das nächste Mal käme. Jetzt kriege ich keinen Bissen mehr herunter. Doch er hat noch mehr Ideen, und auch die Müdigkeit scheint verflogen zu sein. »Maria«, sagt er, »du könntest mitkommen, der Henner hat sicher nichts einzuwenden, wenn ich dich dort fotografiere.« Doch, denke ich, da hat er ganz sicher etwas einzuwenden. Der Alfred zittert richtig. Sein hässliches Gesicht hängt wieder kurz über dem Teller mit der Suppe, doch sein schräger Blick schneidet mich in zwei Teile. Jetzt sagt er es, denke ich. Jetzt ist alles vorbei. Fast bin ich froh darüber, diese entsetzliche Anspannung endlich loszuwerden. Er löffelt langsam und schlürft dabei,

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