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Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Titel: Irgendwann werden wir uns alles erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Krien
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dort.
    Sieben Tage ist es nun her, dass ich den Brief geschrieben habe. Langsam beginne ich mich wieder anders als schmerzhaft zu spüren. Das ist der erste Liebeskummer meines Lebens. In manchem Moment glaubte ich, tatsächlich daran sterben zu können. Der Ausdruck »gebrochenes Herz« kam mir gar nicht übertrieben vor, sondern absolut wirklich. Ich habe viel geraucht und praktisch nichts gegessen. Ich wollte mich auslöschen. Sterben. Vergehen. Ich wollte verschwinden. Die Brendels waren sehr gut zu mir, doch ich litt entsetzlich. Ein Leiden, dessen wahren Grund ich nicht nennen durfte, das ich vollkommen allein ertragen musste, schien mir eine unangemessen harte Strafe für mein Handeln zu sein. Jede Freundlichkeit verstärkte meinen Schmerz; jede Berührung vom Johannes brachte mich zum Weinen. Ich schob es auf die Eltern, die neue Heirat des Vaters, die Traurigkeit der Mutter, das verpatzte Schuljahr. Es ließen sich ausreichend Gründe finden.
    Zur Arbeit bin ich dennoch gegangen. Allein in den Spinnenzimmern wäre ich wohl verrückt geworden. Ich habe nichts von ihm gesehen oder gehört. Er wohnt so nah, und doch ist er unsichtbar geworden. Vielleicht ist er tot, dachte ich. Das wäre immerhin etwas gewesen, das mir den Platz in seinem Herzen für die Ewigkeit bewahrt hätte. Ich wollte ihn lieber tot sehen, als zu glauben, er hätte mich nicht mehr haben wollen.
    Schließlich sehnte ich mich aber doch nach der Mutter zu Hause, und Johannes brachte mich mit dem Auto hin. Sie war ganz erschrocken über meinen mageren Körper, das leichenblasse Gesicht und die tiefen Augenringe. Ich ging ins Haus, hinauf in mein Zimmer und legte mich ins Bett. Die Zeilen des Verses, den ich wohl nie mehr vergessen werde, jagten mir durch den Kopf … Blumen … Todeskühle … bis man sie niedermäht … niedermäht …niedermäht . Meine Mutter kochte Tee und die Oma Traudel eine Puddingsuppe, die hatte ich mir früher immer gewünscht, wenn ich krank im Bett lag. Hier schob ich den Besuch des Vaters vor, der mich so mitgenommen hätte, und ebenfalls das verpatzte Schuljahr. Das Lügen hat mich der Henner ja gelehrt. Es war der vierte Tag ohne ihn. Die kommenden haben mich der Mutter wieder näher gebracht. Sie kümmerte sich so um mich, wie sie es früher getan hat. Sehr viel früher, als ich ein kleines Kind war. Nun, in meinem schweren Kummer, bin ich noch einmal ihr bedürftiges Kind geworden.
    Sieben Tage ist es nun her. Wir sitzen hier im Garten; gestorben bin ich nicht, auch essen kann ich wieder, selbst eine Zukunft scheint mir denkbar zu sein, wenn auch eine trostlose. Ich schließe die Augen und spüre die Sonne auf meiner Haut. Es ist still bei uns, Gedanken zerstäuben hier gar nicht schnell, in der Gartenruhe bleiben sie klebrig hängen. Noch immer bin ich schrecklich traurig.
    Draußen auf der Gasse hält ein Auto. Ich höre das Läuten der Türklingel und gleich darauf eine vertraute Stimme. Durch die geöffnete Hintertür des Hauses kommt er in den Garten. Er geht auf uns zu und sagt mit ungeheurer Festigkeit: »Die Brendels haben gesagt, ich soll doch mal nach der Maria sehen, wo ich sowieso hier vorbeifahre. Der Johannes fragt auch, ob sie nicht gleich mitkommen möchte. Er hat wohl Sehnsucht nach ihr.«
    Da stehe ich auf und hole meine Sachen und steige in den Wagen.

Kapitel 17
    ALS ICH EINGESTIEGEN bin und er die Tür zugeworfen hat, winkt mir die Mutter vom Zaun aus zu. Sie lächelt und winkt. Ganz langsam. Da erscheint auch noch die Oma Traudel. Auch sie winkt und lacht. Ich lächle zurück und hebe die Hand zum Gruß. Währenddessen ist er um das Auto herumgegangen und steigt ein. Die Oma Traudel trägt eine lächerlich bunte Schürze, das sehe ich erst jetzt. Sie winkt noch immer, als sähen wir uns niemals wieder.
    Dann startet er den Wagen und fährt los. Er atmet schwer und fährt schnell. Die Gelassenheit gerade eben, dort im Garten, muss ihn viel Kraft gekostet haben. Die Lügen gehen ihm nicht so leicht über die Lippen wie mir. Erst als das Dorf hinter uns liegt, sagt er: »Ich bringe dich jetzt auf den Hof. Dann fahre ich zu den Brendels rüber und sage ihnen, ich hätte deine Mutter getroffen, sie hätte gesagt, du brauchst noch Ruhe und möchtest ein paar Tage allein sein. Hast du das verstanden, Maria?« Ich nicke mechanisch, und mir wird klar, ich wäre ganz grundlos beinahe gestorben.
    Auf dem Hof trägt er meine Tasche hinauf in das Zimmer seiner Mutter. Seine Mundwinkel hängen müde

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