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Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Titel: Irgendwann werden wir uns alles erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Krien
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und ich habe Mühe, mich im Sattel zu halten. Als wir jedoch den Schutz der Bäume erreichen, lassen wir die Pferde ruhig traben. Es ist ein herrlicher Tag, mild, licht und duftend; nichts bekümmert uns. Plötzlich gibt der Henner dem Hengst einen leichten Tritt in die Seite und prescht los. Er dreht sich zu mir um und lacht und sieht nicht den Baum, der quer über dem Weg liegt. Der Hengst scheut vor dem Hindernis; er bäumt sich einmal auf, und der Henner fällt. Ich bin vollkommen erstarrt, nicht einmal warnen konnte ich ihn. Ich steige ab und binde die Jella an einen Baum, dann renne ich zu ihm. Er ist den leichten Abhang an der linken Seite hinuntergerollt und stöhnt. Noch bevor ich bei ihm bin, ruft er aber schon: »Nichts passiert, Maria, es ist nichts passiert.« Doch als ich ihm helfen will aufzustehen, geht es nicht. In barschem Ton sagt er, er würde es schon selbst schaffen. Sein linker Knöchel ist sofort geschwollen. Irgendwie stemmt er sich hoch und humpelt den Abhang hinauf, schleppt sich zu seinem Pferd und steigt mühsam wieder auf. Dann reiten wir zurück. Als wir ankommen, hat sein Knöchel einen bedrohlichen Umfang erreicht. Er muss sich auf mich stützen, als wir ins Haus gehen, und ist nun ganz düster. Den ganzen Abend kann er nicht mehr aufstehen, und ich pflege ihn, so gut es geht. Ich hole Eiswürfel aus dem Kühlschrank, wickle sie in Küchentücher und lege sie ihm auf den verletzten Knöchel. Im Schrank über dem Küchenwaschbecken finde ich eine Salbe gegen den Schmerz; damit reibe ich ihn ein. Ich bringe ihm geschmierte Brote und auch einen Schluck Wodka und bleibe bei ihm sitzen; doch er ist mürrisch und gereizt und sagt, ich solle oben schlafen heute. Ich begreife das nicht.
    Später, als ich nicht schlafen kann und daran denken muss, wie die Mutter vom Henner hier in diesem Bett gestorben ist, fürchte ich mich entsetzlich und gehe doch zu ihm hinunter. Er muss sich die Wodkaflasche geholt haben. Sie steht neben dem Bett und ist zu einem Drittel geleert. Ich glaube, er schläft. Er liegt auf der rechten Seite und atmet gleichmäßig, und ich lege mich vor ihn, passe mich ganz seinem Körper an, und da umfängt er mich und lässt mich nicht mehr los.
    Am Morgen danach klopft es an der Tür. Einen Augenblick lang hören wir auf zu atmen. Der Henner hat sich schneller gefasst und steht langsam auf. Sein Knöchel ist etwas abgeschwollen; er schmerzt noch immer, aber das Laufen geht. Ich höre, wie er die Tür öffnet, und dann beginne ich zu zittern. Es ist Johannes. Er ist gekommen, um Bilder zu machen, das Morgenlicht will er nutzen, sagt er. Der Henner bleibt ruhig und sagt, auf dem Hof könne er gern fotografieren, nur im Haus sei es ihm heute nicht recht. Ich schleiche mich rüber in die Küche und von dort die Treppe hinauf ins Zimmer der Mutter. Hinter der Gardine beobachte ich ihn, wie er mit der Kamera umhergeht und nach dem besten Winkel sucht. Nun möchte ich gleich wieder sterben. Die Möglichkeit, entdeckt zu werden, kommt mir so schrecklich vor, dass ich hier lieber verhungern würde, als herunterzukommen. Den Henner höre ich in der Küche rumoren. Irgendwann – nach einer Ewigkeit – kommt er herauf und bringt mir Kaffee und Brot. Er legt sich den Finger auf den Mund, als befürchtete er, ich könnte irgendeinen Lärm veranstalten, der uns verraten würde. Doch wir sitzen und bleiben ganz still. Johannes geht in den Pferdestall, dann wieder hinaus, zum Brunnen und rüber zur Scheune; er macht Bilder vom Haus und den Ställen, von der Haustür und dem großen Eingangstor, von den Hunden und der Bank vor dem Küchenfenster. Ich kann nicht widerstehen und schaue hinter der Gardine zu ihm hinunter. Und da passiert es: Er hält die Kamera leicht nach oben gerichtet und drückt den Auslöser. Ich werfe mich aufs Bett.
    Der Henner flüstert: »Was ist los?«, und ich antworte: »Er hat mich fotografiert.«
    »Was meinst du damit?«, fragt er atemlos, und ich sage: »Er hat die Kamera nach oben gerichtet, und ich glaube, ich bin auf dem Bild.«
    »Verdammt, Maria …«, sagt er, »das war dumm!«
    Dann ruft Johannes nach ihm. Ich sitze am Boden vor dem geöffneten Fenster und versuche etwas zu verstehen. Ob er noch einmal wiederkommen dürfe, fragt Johannes, mit der Maria, und Bilder im Haus machen, ob der Henner eins haben möchte von den Bildern und was mit seinem Fuß sei, er würde ja humpeln. Der Henner gibt knappe mürrische Antworten, und dann geht Johannes. Hinter

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