Irgendwas geht immer (German Edition)
»Q« hatte ein neues Fahrzeug entwickelt, das sich in eine Schusswaffe verwandelte, und er hatte sich tödlich verletzt.
All diese zunehmend idiotischen Begründungen lenkten mich ein wenig ab und verhinderten, dass ich mich mit den viel plausibleren Gründen auseinandersetzte, weshalb er nicht auftauchte. Es war definitiv wahrscheinlicher, dass er schlicht und einfach kalte Füße bekommen, eine bezaubernde Schönheit in seinem Alter kennengelernt hatte oder mit dem völlig wahnwitzigen Gedanken aufgewacht war, wie sich ein Leben an der Seite einer grauen Maus mittleren Alters gestalten würde, die er kaum kannte. Nun, zumindest ein halbes Leben, schließlich hatte ich meinen Zenit ja bereits eine ganze Weile überschritten. Oder etwa nicht?
Ich ging in das durchdringend nach Lavendelkloputzmittel stinkende Bad und füllte den lächerlichen Wasserkessel im Kinderformat mit Wasser, um mir einen Tee zu machen. Teebeutel rein. Zwei Päckchen Zucker. Eines reicht nie, und es ist zu schwierig, den Inhalt des zweiten zu dosieren, wenn der Zucker einmal angefangen hat herauszurieseln. Raus mit dem Teebeutel. Rein mit der Milch aus diesen ekelhaften kleinen Plastikdingern mit den Deckeln, die nie aufgehen. Umrühren. Probieren. Ekelhaft.
Schließlich saß ich mit dem Becher dieser widerlichen grauen Brühe auf dem Bett und spürte, wie sich die Hoffnungslosigkeit immer mehr in mir breitmachte. Ich hatte keine Ahnung, warum er nicht gekommen war, doch die Tatsache, dass es so war, schien das einzig Richtige in dieser eindeutig verkehrten Situation zu sein. Alles andere stimmte nicht. Der Tee, das Zimmer, der überstürzt gepackte Koffer, die Broschüren der Landhäuser, die ganze alberne, gefährliche Situation, die mein gesamtes Leben zerstören könnte. Ich kam mir völlig idiotisch vor. Und war am Boden zerstört. Als ich ins Bad ging und die widerwärtige Brühe ins Waschbecken kippte, erhaschte ich einen Blick auf mein Gesicht im Spiegel. Ich sah erschüttert aus, frustriert.
Mittlerweile war er zwei Stunden zu spät. Ich spürte einen Anflug wütender Entschlossenheit in mir aufkeimen. Noch war sie nicht zu voller Blüte herangereift, doch selbst in diesem embryonalen Stadium zeigte sie sich von ihrer wortgewandten Seite. In diesem Augenblick beschloss ich, dass es vorbei war. Scheiß aus und vorbei, wie Dora sagen würde.
Dora! Oh Dora. Und Oscar. Meine Kinder. Wie könnte ich sie jemals im Stich lassen? Erst durch sie lebe ich doch. Sie sind der Grund, weshalb ich auf der Welt bin. Sie sind der Anfang und das Ende. So nervenaufreibend sie auch sein mögen, so voller Fehler und manchmal schlicht und ergreifend unerträglich, sind sie doch meine Familie. Ich bedeute ihnen sehr viel. Noel hingegen nicht. Er ist ja noch nicht einmal da. Sie hingegen schon. Jeden Tag. Genauso wie mein reizender Ehemann. Jeden Tag. Seit Jahren. Sie sind da. Wirklich da.
Mit einem Mal wollte ich nur noch raus aus diesem Zimmer. Ich ging an die Rezeption, wo mir zu meiner endlosen Schmach bewusst wurde, dass ich, wenn ich jetzt auscheckte, logischerweise auch die Rechnung würde bezahlen müssen.
»Alles in Ordnung mit dem Zimmer?«, fragte die kleine Miss Naseweis.
»Ja, alles bestens. Ich habe … herrlich geschlafen. Ein kleines Nickerchen …« Ich mimte ein herzhaftes Gähnen. »Genau das Richtige. Na ja, ich habe in letzter Zeit ziemlich hart gearbeitet …«
Weshalb machte ich mir überhaupt die Mühe, mit lächerlichen Ausreden anzukommen? Die Schmach drang mir aus sämtlichen Poren, als ich seufzend die Quittung unterschrieb und meine Kreditkarte aus dem Schlitz zog. »Vorgang beendet«, stand da. Ja. Genau. Das traf den Nagel auf den Kopf.
Ich rannte förmlich zum Wagen und raste nach Hause. Nach Hause. Zurück in mein reales Leben. Vorbei an den gewohnten Häusern und Geschäften. Links, rechts, noch mal rechts und dann wieder links. Alles vertraut, alles wie gewohnt. Da war es – mein Haus. Mein normales, unverändertes Haus mit meiner normalen, unveränderten Familie. Normal. Richtig. Natürlich. Normal. Gut.
Als ich auf die Haustür zuging, hörte ich lautes Schluchzen herausdringen. Ich ging hinein. Weit und breit nichts, keine Spur von meinem reizenden Ehemann. Stattdessen Dora, die unkontrolliert in Oscars Armen schluchzte.
Anfangs wollte sie mir nicht erzählen, was sie so aus der Bahn geworfen hatte, sondern schrie mich nur an: »Herzlichen Dank, dass du scheiße noch mal nie da bist!«
»Es tut mir
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