Irgendwas mit - Kindern
Schluss
Benny und die vierundzwanzig Zwerge
Ich hatte einmal diesen Schüler – nennen wir ihn Benny. Benny war ein wirklich netter Typ: freundlich, redegewandt, cool, er wusste, wann er eine echte Leistung zu bringen hatte und wann er sich mit einem Augenzwinkern durchwursteln konnte. Wenn es um unpassende, aber lustige Bemerkungen ging, war er der Chef, und ich als Lehrerin hätte in meine Kreide beißen müssen, um nicht mitzulachen.
Während seine Mitschüler sich in der zehnten Klasse Praktikumsplätze bei Banken, Steuerberatern und großen Unternehmen suchten, ging er in den Kindergarten.
Für seinen Praktikumsbesuch war ich eingeteilt worden. Ich kam also in diesem etwas abgeranzten Siebziger-Jahre-Bau die Treppe rauf. Rechts ging es durch eine Tür in den Kindergarten-Bereich. Ich hatte gerade die Zeit erwischt, in der die Kleinen sich für den Spielplatz anzogen, und der typische Kindergartenlärm schlug mir entgegen. Hinter der Tür Gewusel und Gerenne von zwei Dutzend kleiner Zwerge:
„Kannst du mir die Schuhe binden?“
„Kannst du mir meine Mütze runterholen?“
„Ich muss aufs Klooooo!“
„Können wir auf das Klettergerüst? Können wir, können wir?“
„Sabiiiiiine, der Max hat meine Jacke runtergeschmissen, und jetzt ist sie dreckig!“
Und dazwischen, seine langen Beine sorgfältig unter die Garderobenhaken gefaltet und so von Kindern umlagert, dass er kaum zu sehen war: Benny. In aller Seelenruhe schnürte er Stiefelchen, zog Mützen über, befreite verhakte Reißverschlüsse, band Schals, putzte Nasen und brachte so Ordnung in das Chaos. Es war sein dritter Tag im Kindergarten.
Überflüssig zu erwähnen, dass die Erzieherinnen kurz davor waren, einen Benny-Fanclub zu gründen. Die Zusage für sein Vorbereitungsjahr hatte er in der Tasche. Als ich ihn später dazu beglückwünschte, zog er ein wenig verlegen die Schultern hoch.
„Ich weiß nicht, ob ich Erzieher werden will“, sagte er.
Ich traute meinen Ohren nicht. Ich hatte schon lange niemanden mehr gesehen, der so natürlich, unverkrampft und freudig mit Kindern umging wie er. Er hatte auf diesem Garderobenbänkchen wirklich ausgesehen wie einer, der seine Erfüllung gefunden hat.
„Aber warum nicht?“ Er seufzte.
„Na ja – der Beruf ist schon cool. Würde mir Spaß machen. Aber von dem, was man da verdient, kann man ja keine Familie ernähren.“
Tatsächlich blieb er bei seiner Position und begann nach der Schule eine Lehre im Kaufmännischen. Ich kann ihm nur wünschen, dass diese Arbeit ihm so viel Spaß macht wie die mit Kindern.
Und die Moral von der Geschicht?
Natürlich passt mir das Ende der Geschichte nicht. Als aufmunternde Anekdote zum Schluss wäre sie besser geeignet, wenn Benny seiner Veranlagung gefolgt und glücklicher Erzieher geworden wäre. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Benny, könnte ich dann schreiben, vor allem, wenn Sie keine Leserin, sondern ein Leser sind.
So muss ich es anders anpacken und schreibe: Nehmen Sie sich kein Beispiel an Benny.
Die Zeiten ändern sich. Junge Frauen ändern sich. Sie wollen nicht mit Baby, Krabbel- und Kleinkind zu Hause warten, bis der Mann das Geld heimbringt. Die Last des Allein-Ernährers ist vielen jungen Vätern längstvon den Schultern genommen. Familie ist ein Gemeinschaftsprojekt, sowohl was Erziehung, als auch was die Sicherung des Einkommens anbetrifft. Also, Jungs, traut Euch! Das große Geld ist Euch auch in anderen Berufen nicht garantiert, deshalb solltet Ihr unbedingt das machen, was Ihr wirklich wollt und gut könnt.
Reich wird man nicht als Erzieher oder Sozialpädagoge – andererseits, Bamberg hat viele Brücken, und unter keiner kampieren die „Kindergärtner“. Man kommt über die Runden.
Was auch für Euch Mädels gilt. Sucht Euch einen Beruf, für den Ihr geschaffen seid. Lasst Euch nicht beirren. Ihr werdet eine unvorstellbar lange Zeit damit verbringen, und das haltet Ihr nur durch, wenn Ihr Spaß habt an dem, was Ihr tut.
Viele junge Menschen, die in Kinderberufe streben, tun das, weil sie etwas bewegen wollen. Das ist ein schöner Nebeneffekt: Manchmal bewegt man nichts, aber manchmal eben schon, und das ist ungeheuer befriedigend. Abgesehen davon sollten Sie aber einfach Spaß haben. Tun Sie sich selber etwas Gutes mit der richtigen Berufswahl und bewegen Sie etwas bei sich selbst. Die daraus entstehende innerliche Unabhängigkeit ist eine Voraussetzung für Erfolg.
Mir ist klar, dass Sie niemals, eines fernen Tages,
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