Irgendwie Top
manchmal bin ich eben nicht so der ... ganz schnelle Denker.“ Er nahm hastig noch einen weiteren Schluck Bier. Damals hatte er mit hochrotem Kopf vor der Klasse gestanden und die Scham war rasch in mühsam beherrschte Wut umgeschlagen. Zum ersten Mal hatte er sich danach einen der Jungs geschnappt, die am lautesten gelacht hatten, und ihm eine Abreibung verpasst. Natürlich war damit alles nur noch schlimmer geworden und er hatte sich vor dem Rektor, seinem Klassenlehrer und noch viel schlimmer, vor seinem Vater rechtfertigen müssen. Besonders das Gespräch mit seinem enttäuschten Vater, der ihm eindringlich erklärt hatte, dass er nie, niemals seine Überlegenheit durch reine Muskelkraft beweisen durfte, hatte ihn nachhaltig geprägt.
„Du durchdenkst Dinge eben gründlicher, als andere“, meinte Alex nachdenklich und lehnte sich seufzend an ihn. Markus stutzte verblüfft. Mit so einer Reaktion hatte er nicht gerechnet. Meinte Alex das wirklich ernst oder wollte er ihn verarschen?
„Naja sie haben halt alle gelacht. Viel Muskeln und nichts im Kopf“, ergänzte Markus unsicher, atmete flacher. Alex lehnte seinen Kopf vertraulich gegen den von Markus. Die Bartstoppeln piksten angenehm. Er mochte dieses raue Gefühl, einen Mann neben sich zu haben. Verdammt, er mochte diesen engen Körperkontakt, den Alex immer wieder zu ihm suchte. Markus biss sich bestürzt in die Unterlippe, als ihn die Wahrheit mit unerwarteter Klarheit traf. Er war wirklich und wahrhaftig mit Alex am Kuscheln. Und verflucht noch einmal, es ist wahnsinnig toll!
Vorsichtig lehnte sich auch Markus an Alex und hielt dabei den Atem an. Hart und schnell schlug sein Herz. Er kam sich vor, als würde er etwas Verbotenes tun, zu gefährlich, zu viel von ihm selbst preisgeben, verletzlich und angreifbar werden. Dummes Gefühl. Irrational und völlig dämlich, denn er hatte sich ohnehin Alex gegenüber schon so sehr geöffnet, wie noch nie irgendjemandem zuvor. Und trotzdem hatte der es nicht ausgenutzt, ihn nicht lächerlich gemacht oder ihm das Gefühl vermittelt, dumm und einfältig zu sein. Oder schwach. Im Gegenteil, mit Alex fühlte er sich schwach und zugleich viel stärker, eben weil er Schwäche zeigen durfte. Völlig verrückte Sache.
„Ich wollte in der Schule immer dazugehören, hatte Angst, von den anderen ausgeschlossen zu werden“, gab Alex nachdenklich zu. „Meine Mutter hat uns verlassen, als ich vier war und mein Vater war nicht gerade wohlhabend, nur ein einfacher Müllfahrer.“ Seufzend nahm er einen Schluck Bier und seine Hand strich gedankenverloren über Markus' Oberschenkel. „Ich wollte immer so wie die Jungen in meiner Klasse sein, nur hatte ich eben selten die angesagten Klamotten an, oder konnte ganz oft nicht mitfahren, wenn wir größere Ausflüge gemacht haben, weil mein Vater es schlichtweg nicht bezahlen konnte.“ Alex setzte seufzend das Bier ab, drehte den Kopf, um Markus direkt anzusehen und lehnte sich an dessen Schulter. Seine Bartstoppeln kratzten ganz leicht über Markus' Haut wie feines Sandpapier. Das Geräusch verursachte ein kribbelndes Gefühl und wieder diese wundervolle Wärme.
„Ich habe neben der Schule in einem Café gejobbt und dann kam da dieser Fotograf und hat mich gefragt, ob ich mich für eine Werbeanzeige ablichten lassen würde.“ Unablässig strich Alex' Hand über Markus' Bein. Streichelnde, zärtliche Berührungen. Markus verschränkte seine Finger in Alex. Nähe. Sie waren einander nahe, so vertraut miteinander. Markus' Herz schlug noch immer zu schnell, aber es war freudige Erregung, erkannte er.
„Es war klasse, das Shooting hat viel Spaß gemacht und die Kampagne war ein voller Erfolg“, fuhr Alex fort. „Eine Modelagentur entdeckte mich und plötzlich stand ich immer im Mittelpunkt, war ein Star und jeder wollte mit mir zusammen sein. Wegen meines Aussehens.“ Den letzten Teil stieß er leicht verbittert hervor. Hastig griff er nach seiner Dose und trank den letzten Schluck leer. „Daran hat sich im Grunde nicht viel geändert.“ Seine Finger schlossen sich stärker um die von Markus. „Ich bin nur älter geworden.“
„Du siehst ja auch fantastisch aus“, bekräftigte Markus inbrünstig und fügte sofort hinzu: „Du bist einfach etwas Besonderes, Alex. Nicht nur dein Aussehen. Du selbst.“ Die Worte klangen holperig, nichtssagend in seinen Ohren, jedoch sah ihn Alex zärtlich an, lächelte und küsste ihn zur Antwort auf den Hals.
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