Irgendwie Top
pochte es. Ein leichter, beständiger Schmerz, der sich zu den zaghaften Stichen in seiner Brust dazugesellte. Ob Tim wirklich ...
Er wollte es nicht wissen. Nein! Diesen Moment hatte er all die Jahre gefürchtet, gehasst, weit weg geschoben. Tim. Der süße, kleine, unschuldige Struppi in den Armen eines anderen Mannes. Undenkbar. Aber Tim war erwachsen geworden. Er war irgendwann einfach zu einem Mann geworden.
Nein! Nicht wirklich.
Für ihn war er immer noch der kleine Milchbubi, der bei jeder Gelegenheit heulte, ihn mit diesen großen blauen Augen ansah. Unsicher und ängstlich, ein Blick, der Markus’ Herz einfach wegschmelzen ließ. Sein kleiner Bruder, vor den er sich gestellt hatte, früher auf dem Schulhof; den er beschützt hatte und der bewundernd zu ihm aufsah. Das war sein Tim und niemand hatte das Recht ihn zu bekommen.
Wütend hieb Markus mit der Faust auf das Autodach. Der kurze Schmerz half die Bilder zu verdrängen und missmutig besah er die Beule im Blech. Scheiße, auch das noch. Er liebte seinen blauen Patrol. Das werde ich ausbeulen lassen müssen. So ein verdammter Mist!
Unschlüssig blickte Markus auf das Display seines Handys und versuchte erneut, Tim anzurufen. Es sprang die Mailbox an und er zögerte nur einen Moment: „Hier ist Markus. Struppi, wo bist du? Melde dich, ich mache mir schon Sorgen.“ Seufzend ließ Markus das Handy in die Tasche gleiten und schloss sein Auto auf. Er starrte auf den leeren Parkplatz. Er konnte nicht heimfahren. Nicht, solange er nicht wusste, wo Tim war, und was geschehen war.
Das Pochen in seinem Kopf würde stärker. Vermutlich die Nachwirkungen des komischen Essens oder eher der Biere, die er getrunken hatte. Alex’ Espresso hatte nicht lange vorgehalten, er würde eine höhere Dosis an Koffein brauchen, um wieder klar im Kopf zu werden. Es gab im Univiertel, nicht weit weg von seiner Wohnung, ein Café, in dem er gewiss einen starken, schwarzen Kaffee bekommen konnte. Der Laden hatte zwar erst ab 6 Uhr auf, vielleicht konnte er mit ein bisschen Überredungskunst dennoch einen Kaffee bekommen. Er hatte mal gehört, dass der Besitzer auch schwul war. Das könnte klappen.
Markus konzentrierte sich auf die Straße, bemüht, den an- und abschwellenden Schmerz bestmöglich zu ignorieren, der in seinem Kopf und im Körper wütete. Umso erschrockener reagierte er, als sein Handy plötzlich piepste. Hastig fuhr er an die Seite.
Es war eine SMS von Tim: Alles okay. Habe nur bei einem Kumpel gepennt. Brauchst dir keine Sorgen zu machen. Tim.
Markus’ Erleichterung wich nur zu rasch einem bohrenden Gefühl in der Brust. Bei einem Kumpel? Wem? Wenn Tim eine SMS schreiben konnte, war er wach genug zum Telefonieren. Meistens schaltete er sein Handy ohnehin auf stumm. Markus wollte sofort herausfinden, wo und mit wem er zusammen war.
„Mann, Struppi!“, begrüßte er ihn. „Dad und ich machen uns voll die Sorgen um dich. Wo bist du verdammt noch mal?“
Tims Stimme klang leise und gedämpft, als ob er sich bemühen würde, niemanden zu wecken: „Habe dir doch gesimst: alles klar.“ Er klang genervt. War da ein Schnarchen im Hintergrund?
„Wo zur Hölle bist du, Struppi?“, fragte Markus heftiger als beabsichtigt. Sein Herz klopfte hart und zog sich schmerzhaft zusammen. „Ich hole dich ab.“ Egal wo Tim war, er würde ihn jetzt da wegholen.
„Mann, Markus!“ Noch immer klang Tim leise, als ob er flüstern würde. „Ich sagte doch: alles okay. Ich bin doch nur bei einem ... Freund.“
„Sag mir wo du bist, Struppi, oder ich rufe dich jede Minute an!“ Markus meinte das absolut ernst. „Gib mir die Adresse, dann hole ich dich ab.“ Tim schnaubte und Markus hörte Stoff rascheln, ein unwilliges Grunzen im Hintergrund, und ein eiskalter Schauer lief über seinen Rücken. Tim war nicht wirklich gerade ...? Es klang so, als ob er aus einem Bett aufstand ... in dem noch jemand lag!
„Wo bist du?“ Markus beherrschte sich nur mühsam. Er würde den Kerl in der Luft zerreißen, wenn er ihn traf. Bestimmt hatte der Tim heute im Club aufgerissen und seine Unerfahrenheit ausgenutzt. Er kannte solche Typen zu Genüge. Nur ein schneller Fick und dann tschüss! Vielleicht hatte er Tim sogar gezwungen und nun traute dieser sich nicht, es ihm zu sagen? Markus’ Kopf lieferte ihm unliebsame Bilder, die sich einfach nicht vertreiben lassen wollten.
Tim antwortete nicht sofort, aber es klang, als ob er sich dabei anziehen würde. „Du
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