Irgendwo dazwischen (komplett)
weil er gefragt hat, ob alles bei mir in Ordnung
ist. So ein Klotz ist er also doch nicht.
Unsere Küsse werden fordernder. Seine Hände gleiten über meine
Haut, und sein Körper duftet nach Sex. Ich greife vorsichtig zwischen unsere
verknoteten Beine und lasse ihn in mich eindringen. Und auch, wenn es mir
eigentlich zu schnell geht, es fühlt sich schön an.
So vergehen einige Wochen. Ich weiß nicht viel mehr über Clemens.
Aber wir haben viele neue Stellungen ausprobiert. Das ist doch auch eine Art
Intimität. Und ganz egal, was ich mache, ich fühle ich mich klein. Und ich
weiß, es ist, weil ich meine beste Freundin verliere. Und wenn ich nicht bald
etwas tue, ist es zu spät. Ich kann ihr nicht ewig aus dem Weg gehen. Ich kann
und ich will nicht. Sie ist eine der wenigen Konstanten in meinem Leben. Alle
Momente, die wirklich wichtig waren, habe ich mit ihr geteilt. Und da ist es
wieder – das Problem zwischen Theorie und Praxis. Denn in meiner Vorstellung
wird sie nicht schreien. Sie wird mich verstehen, sich sogar für mich freuen.
Sie wird einsehen, dass unsere Freundschaft wichtiger ist. Das heißt, sie wird
ihre Prioritäten eben nicht so setzen, wie ich meine, als es um Clemens
ging. Und genau das kann man eben nicht erwarten.
Lili
Inzwischen sind Emma und Clemens seit einigen Wochen das
Gesprächsthema Nummer eins. Ich habe sie seither nicht mehr ohne ihre
Saugnapf-Begleitung angetroffen. In jeder Zwischenstunde, vor der Schule, nach
der Schule, überall hinterlassen die Beiden ihre Spuren. Und doch, der ganzen
Aufregung zum Trotz, scheint sie nun endlich zu merken, dass unsere
Freundschaft momentan nicht allzu gut läuft. Heute Nachmittag werde ich nach
längerer Zeit wieder einmal zu ihr fahren. Erst werden wir reden, dann kommen
einige Leute zu ihr. Wer wohl?
Als ich bei Altmanns klingle, öffnet mir Emmas Bruder Elias die
Tür. Er sieht Emma eigentlich überhaupt nicht ähnlich. Ja, auch er ist groß und
mit einem Körper gesegnet, für den manch ein Kerl gnadenlos töten würde – ich
kenne Elias schon lange und daher auch relativ unbekleidet, ich weiß also,
wovon ich spreche – doch er hat schwarzes, längeres Haar, welches er meistens in
einem Pferdeschwanz trägt, und tiefschwarze Augen. Selbst wenn die Sonne in
seine Augen scheint, kann man kaum einen Unterschied zwischen Pupille und Iris
erkennen. Emma und er sind beide perfekt, nur eben anders perfekt. Emma und Lia
kommen nach ihrer blonden Mutter Lydia, Elias und Leni nach ihrem
schwarzhaarigen Vater Enno. Wenn man es genau nimmt, ist Elias fast noch
perfekter als Emma, denn sie kämpft mit einer zu kleinen Brust, während an ihm
wirklich alles stimmt. Sogar der Charakter. Emma würde es natürlich niemals
zugeben, dass sie unter ihrer verhältnismäßig kleinen Oberweite leidet. Das
nennt sich dann wohl ausgleichende Gerechtigkeit, denn das ist das Einzige,
womit ich nicht zu kämpfen habe...
„Hallo, Kleines... Komm rein. Emma ist noch nicht da...“
Wie noch nicht da?? Das denke ich. Und sagen höre ich mich, „Ach
so... Macht ja nichts...“ Dann folge ich ihm in Richtung Garten.
Auf der Terrasse sitzen einige seiner Freunde. Die meisten kenne
ich, ein paar jedoch sehe ich heute zum ersten Mal. Lydia und Enno Altmann sind
nicht zu Hause. Das ist nichts Ungewöhnliches, denn sie gehören zu den wenigen
Eltern, von denen man es glaubt, dass sie gerne Zeit miteinander verbringen.
Und mehr noch, man merkt ihnen an, dass sie sich nicht nur schon nackt gesehen
haben, sondern es auch jetzt noch genießen. Und das selbst nach 25 Jahren Ehe
und vier Kindern. Es kam nicht nur einmal vor, dass man verdächtige Laute aus
ihrem Schlafzimmer hörte, wenn man durch den Flur ging. Und das zu jeder Tages-
oder Nachtzeit.
„Sind Lia und Leni nicht da?“ frage ich ein wenig unbeholfen. Mit
Elias allein zu sein, habe ich kein Problem, aber inmitten einer Horde seiner
Freunde fühle ich mich doch ein wenig deplatziert.
„Nein. Beide unterwegs. Lia ist bei ihrem neuen Typ und Leni ist
mit Kim unterwegs. Lia kommt heute auch nicht mehr. Mama hat etwas gegen diesen
Neuen... Simon glaub ich. Und Leni kommt, wenn überhaupt, erst gegen Abend.
Setz dich doch, Kleines...“ Normalerweise mag ich es, dass er mich Kleines
nennt, doch gerade jetzt ist mir das unangenehm. Ich wünschte, Emma würde
endlich auftauchen. Immerhin ist sie schon eine halbe Stunde zu spät. Ich bin
extra mit fünfzehn Minuten Verspätung gekommen, um sicher zu gehen,
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