Irgendwo dazwischen (komplett)
scharf.
„Ach, komm.“ Er lächelt und zieht mich an sich.
„Wann kommen deine Eltern wieder?“
„Übermorgen.“
„Hast du meinen BH gesehen?“ Er schüttelt den Kopf.
„Schau mal in der Küche...“ Als er das sagt, höre ich, dass er in
sich hinein grinst.
„Das ist nicht komisch“, sage ich betont ernst und schaue auf die
Uhr. „Wir sollten jetzt schon da sein.“
„Wir?“ Erst denke ich, das wäre ein Scherz. Doch dann wird mir
klar, dass es keiner ist. „Ja, wir.“
„Ich komme nicht mit, ich bin mit den Jungs verabredet.“
„Wie jetzt?“, frage ich entgeistert.
„Klammer nicht so...“
„Ich klammere nicht!!“
„Was ist so schlimm daran, wenn ich mit meinen Freunden weggehen
will?“
„Es ist mir einfach nicht recht.“
„Schön. Und weiter?“
„Nichts und weiter“, fauche ich. Ich sehe ihn schon vor mir. Er
inmitten seines Rudels. Die Disko sein Revier, sein Aussehen seine Waffe.
„Was ist denn plötzlich los mit dir?“
„Blöde Frage.“
„Eigentlich nicht. Eigentlich ist das eine berechtigte Frage.“
„Dich würde es also gar nicht stören, wenn ich mich jetzt mit
meinen Mädels treffen würde, um mit ihnen um die Häuser zu ziehen?“ Ich
wünschte, ich hätte das nicht gefragt, denn die Antwort könnte mir nicht
gefallen.
„Warum sollte... Ach so.“
„Was ach so?“, frage ich entnervt.
„Du bist eifersüchtig.“ Er grinst.
„So ein Quatsch.“
„Was ist es dann?“
„Ich weiß auch nicht. Es würde dich also nicht stören?“ Und da tue
ich es noch einmal. Ich stelle die böse Frage tatsächlich ein zweites Mal.
„Nein, warum auch?“ Na, wunderbar. Hätte ich doch nur nicht
gefragt. „Du bist mit mir zusammen. Dafür wirst du deine Gründe haben...“ Wir
schweigen, obwohl in mir ein wortreiches Gefecht stattfindet. „Ich hätte ehrlich
nicht gedacht, dass du so wenig Selbstbewusstsein hast…“
„Sonst noch was?“, frage ich schnippisch.
„Nein, eigentlich nicht.“
„Du kennst mich ja auch nicht. Du kennst mich nur, wenn ich nackt
unter dir liege...“
„Nackt und stöhnend bitte...“
„Ach weißt du was? Leck mich doch am Arsch...“
Nachdem ich ihm das entgegen geschrien habe, klaube ich meine
Sachen vom Boden und marschiere nackt aus seinem Zimmer, um meine restlichen
Sachen zu suchen. Im Treppenhaus finde ich meine Hose, und in der Küche liegt tatsächlich
der vermisste BH. Und obwohl ich versuche es nicht zu tun, fange ich an zu
weinen. Langsam ziehe ich mich an. Und mit jedem Kleidungsstück, das meine Haut
bedeckt, geht es mir besser. Als ich im Flur meine Reflektion im Spiegel
betrachte, ist sie wieder da, meine Selbstsicherheit. Ich nehme meine Tasche,
schlüpfe in meine Schuhe und gehe in Richtung Tür. Der kann sich freuen, dass
ich mich überhaupt mit ihm abgebe. Und gerade, als ich die Tür theatralisch
hinter mir ins Schloss werfen will, ruft er mir nach.
„Emma! Warte!“
„Lass mich in Ruhe!“ Meine Worte hallen durch den gefliesten Flur.
„Bitte warte...“ Und da steht er. Oben ohne und barfuß. „Ich
wollte dir nicht wehtun.“
„Hast du aber...“
„Ja, und das tut mir leid...“ Da stehen wir nun und schweigen.
„Ich hatte noch nie eine Freundin... ich weiß nicht, wie ich mich verhalten
soll...“
„Anders“, sage ich knapp.
„Ja, schon klar, aber...“ Und auch, wenn er jetzt gerne hätte,
dass ich seinen Satz für ihn beende, schweige ich eisern. „Es tut mir leid,
Emma.“ Ich liebe seine Augen. „Es tut mir leid... Ehrlich...“
Dann kommt er auf mich zu und küsst mich. Und ich erwidere seinen
Kuss. Ich will ihm glauben. Vielleicht lasse ich deswegen zu, dass er mich
zurück ins Haus zieht, die Türe schließt, und mich langsam auszieht. So ist er
eben. Und während seine großen Hände über meinen Körper gleiten, denke ich kurz
an Lili, die inzwischen schon längst da sein wird, und ich denke daran mit
Clemens zu schlafen und lege mich auf den Boden. Lili wird warten müssen. Und
auch, wenn es nicht so klingt, ich habe ein schlechtes Gewissen. Aber nicht
schlecht genug, um ihn abzuweisen und zu gehen...
Lili
Rüdigers Blick irritiert mich. Es ist kein normales Anschauen, es
ist ein Starren. Ich versuche, dieser seltsamen Situation auszuweichen, indem
ich vorgebe, nach Elias zu suchen, als ich plötzlich eine Hand auf meinem
Schenkel spüre und eine zweite an meiner Wange. Ich schaue Rüdiger an. Es ist
nicht so, dass ich keine Lust habe, ihn zu küssen, ich
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