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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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ihren Scharfsinn, Geist und Witz verlassen.
    Es war eine schöne weiträumige Halle, in der ich stand, mit tiefen Fenstern, die einen herrlichen Ausblick auf den großen Park erlaubten, der sich hinter dem Kies der Auffahrt und den gepflegten Blumenbeeten befand. Die Wände waren mit seidenen Teppichen behängt, das Holz war glänzend poliert und der Marmorboden so spiegelblank, dass ich mich selbst darin sehen konnte.
    Rasch trank ich einen großen Schluck Wasser, denn das Buchspringen führte neuerdings oft dazu, dass ich stark dehydriert wurde. Ich zog mein mobiles Fußnotofon heraus und bestellte ein GattungsTransferTaxi. Ich würde es erst in einer halben Stunde brauchen, aber sie waren äußerst begehrt und es lohnte sich, sie im Voraus zu buchen. Dann sah ich mich vorsichtig um. Ich befürchtete zwar keine unmittelbare Gefahr, denn ich befand mich in der friedlichen Backstory von Jane Austens Verstand und Gefühl. Nein, ich wollte bloß sicher sein, dass mein gegenwärtiger Juris-fiktionLehrling nicht irgendwo lauerte. Ich hatte das dringende Bedürfnis, mich bis zum Ende des heutigen Morgenappells nicht mit ihr auseinandersetzen zu müssen.
    »Guten Morgen, Ma’am!«, rief sie und erschien so plötzlich vor mir, dass ich beinahe laut geschrien hätte. Sie war von tödlichem Übereifer, ein Charakterzug, der mich gleich irritiert hatte, als ich vor vierundzwanzig Stunden eingewilligt hatte, ihre Eignung zu überprüfen.
    »Musst du eigentlich immer so abrupt hier hereinspringen?«, fragte ich. »Ich hätte fast einen Herzschlag gekriegt.«
    »Oh! Tut mir leid. Aber ich hab was zum Frühstück für Sie.«
    »Na, wenn das so ist ...« Ich warf einen Blick in die Tüte, die sie mir überreichte. »Warte mal, wie ein Schinkenbrötchen sieht das aber nicht aus.«
    »Ist es auch nicht. Es ist ein knuspriger Linsenkuchen mit Sojamilch und Bohnenquark. Das reinigt die Eingeweide. Von einem Schinkenbrötchen würden Sie wirklich einen Herzanfall kriegen.«
    »Sehr fürsorglich«, sagte ich. »Der Körper ist ein Tempel, nicht wahr?«
    »Ja, genau. Und Kaffee hab ich Ihnen auch nicht geholt, weil der den Blutdruck erhöht. Dafür habe ich hier einen richtigen Energy-Drink: Rote Bete mit Edelweiß.«
    »Was ist denn aus der Flusspferdmilch und der Tintenfischtinte geworden?«
    »Gab’s nicht mehr.«
    »Hör mal«, sagte ich und gab ihr das Linsenbrötchen zurück. »Morgen ist der dritte und letzte Tag deiner Eignungsprüfung, und ich bin mir keineswegs sicher, ob ich dich empfehlen kann. Willst du eine JurisfiktionAgentin werden?«
    »Mehr als alles andere auf der Welt.«
    »Gut. Wenn du willst, dass ich deine weitere Ausbildung befürworte, dann musst du tun, was ich sage. Wenn du den Befehl erhältst, einen Grammasiten zu töten, ein irreguläres Verb einzufangen, einen Kittel für Quasimodo zu schneidern oder mir einen Kaffee mit einem Schinkenbrötchen zu holen, dann tust du genau das und nichts anderes. Verstanden?«
    »Tut mir leid«, sagte sie. Und dann fügte sie hinzu: »Dann wollen Sie das hier wohl auch nicht?«
    Sie hielt mir einen Quarzkristall hin.
    »Wozu soll denn das gut sein?«
    »Man trägt es um den Hals. Es hilft, die Vibrationen Ihres inneren Energiesystems einzustimmen.«
    »Das einzige Energiesystem, das ich jetzt brauche, ist ein Schinkenbrötchen mit einem Becher Kaffee. Es kann ja sein, dass du Vegetarierin bist, aber ich bin nun mal keine. Ich bin nicht du, sondern du bist eine Version von mir. Du stehst vielleicht auf Tarot und Joghurt und Vitamine und würdest dich jederzeit nackt und mit erhobenen Händen und geschlossenen Augen in einen Kornkreis stellen, aber deswegen tue ich das noch lange nicht. Ist das klar?«
    Sie stand da wie ein begossenes Lämmchen. Ich seufzte. Irgendwie war ich ja für sie verantwortlich. Seit ich zur Romangestalt geworden war, hatte ich mich natürlich für mein fiktionales Ich interessiert, aber dass eins davon sich tatsächlich bei der Jurisfiktion bewerben könnte, wäre mir nie eingefallen. Aber da stand sie: die Thursday Next aus Das Große Samuel-Pepys-Fiasko.
    Am Anfang war es mir ziemlich unheimlich, weil sie mir so ähnlich war, praktisch ununterscheidbar. Obwohl das Pepys-Fiasko schon vor sechs Jahren erschienen war, sah sie genauso alt aus wie ich. Jedes kleine Fältchen und jedes graue Haar, das mir angeblich egal war, zeigte sich auch bei ihr. In jeder Hinsicht war sie eigentlich ich. Aber nur äußerlich, wie ich immer wieder betonte.
    Sie

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