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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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offensichtlich enttäuscht.
    »Ach, noch etwas«, sagte ich, als wir die Lagerhalle erreichten. »Mein Onkel Mycroft ist wieder da. Als Gespenst.«
    »Kommt vor«, sagte Spike und zuckte die Achseln. »Hat er einen Körper gehabt?«
    »Genauso wie du oder ich.«
    »Wie lange war er denn sichtbar?«
    »Ungefähr sieben Minuten, schätze ich.«
    »Dann hast du ihn gleich beim ersten Spuken gesehen. Debütanten sind immer noch am solidesten.«
    »Das kann schon sein, aber mich interessiert vor allem, warum. «
    »Ich werde mal Erkundigungen einziehen«, sagte er beiläufig. »Es gibt ein paar Leute im Totenreich, die mir noch einen Gefallen schulden. Übrigens, hast du Landen jetzt endlich gebeichtet, dass du immer noch für SpecOps arbeitest?«
    »Ich werd es ihm heute Abend erzählen.«
    »Na klar, das machst du bestimmt.«
     
    Ich ging in mein Büro zurück, schloss die Tür, streifte meine Acme-Uniform ab und zog etwas Bequemeres an. Ich würde mit Aornis über Felix8 reden müssen. Wahrscheinlich würde sie mir erklären, ich könnte sie kreuzweise, schließlich hing sie wegen mir in einer dreißigjährigen Zeitschleife fest und hasste mich innig, aber versuchen konnte ich es ja mal.
    Ich schnürte meine Stiefel, füllte meine Wasserflasche und packte sie in meine Schultertasche. Acme Carpets war eine Tarnfirma und die Acme-Uniform reinste Mimikry, aber was ich jetzt erledigen musste, war so geheim, dass nur Bowden Bescheid wusste.
    Wenn Landen erfahren würde, dass ich heimlich für SpecOps arbeitete, wäre er sicherlich böse. Aber wenn er rauskriegen sollte, dass ich auch noch für Jurisfiktion aktiv war, würde er komplett durchdrehen. Nach dem Angriff des Minotaurus im Jahr ‘88 hatte er mir so lange ins Gewissen geredet, bis ich ihm versprach, die Jurisfiktion aufzugeben und eine brave Hausfrau und Mutter zu werden. Aber unglücklicherweise hatte ich mich da längst verpflichtet, der Welt der Fantasie zu dienen, der Welt der Bücher und der Fiktion. Ich konnte Landen gar nicht versprechen, darauf zu verzichten, und deshalb musste ich gelegentlich etwas lügen – das heißt, eigentlich ziemlich oft und verdammt viel. Ich tat das nicht leichtfertig und ohne Gewissensbisse, aber in den vergangenen vierzehn Jahren hatte es funktioniert. Das Merkwürdige war, dass mir die Jurisfiktion nichts einbrachte. Sie war gefährlich und total unberechenbar, und ich verdiente keinen Cent damit. Aber ich war nun einmal süchtig nach Geschichten. Es wäre einfacher gewesen, einem anerkannten Käseschlucker, der fünfmal am Tag seinen Limburger brauchte, seine Sucht auszureden, als mich von der Fiktion zu heilen. Aber hey – ich kam ganz gut damit klar!
    Ich setzte mich und schlug das Buch auf, das ich in meiner Tasche hatte. Es war ein Geschenk von Mrs Nakijima. Sie hatte es mir vor vielen Jahren geschenkt. Es war mein Reisepass in die Welt auf der anderen Seite der Buchstaben. Ich senkte den Kopf, leerte mein Bewusstsein, so weit es nur ging, und las mir laut vor. Die Worte hallten wider wie ein Windglockenspiel und schwirrten wie Glühwürmchen um mich herum. Der Raum schlug Wellen und streckte sich, aber dann kehrte ich mit einem dumpfen Plopp! an den Acme-Schreibtisch zurück.
    Verdammt! Neuerdings passierte das immer öfter. Ich war einmal eine natürliche Buchspringerin gewesen, aber diese Fähigkeit war mit den Jahren geschwunden.
    Ich holte tief Luft und versuchte es noch einmal. Das Windglockenspiel und die Glühwürmchen kehrten zurück, und der Raum um mich herum begann sich zu dehnen, bis er von zahllosen Bildern, Empfindungen und Geräuschen ersetzt wurde. Ich überwand die Grenze zwischen der so genannten wirklichen und der fiktiven Welt. Ferne Wasserfälle schienen zu rauschen und eine Wärme wie Kätzchen und eine gemütliche Dusche durchflutete mich, als ich aus meinem Büro bei Acme Carpets in Swindon in die Eingangshalle eines großen Herrenhauses versetzt wurde.

4.
    Jurisfiktion
    Jurisfiktion ist ein Sicherheitsdienst, der im Inneren der Bücher arbeitet, um die Integrität der Texte zu schützen. Diese oft undankbare Aufgabe wird nach den Richtlinien der TextZentrale von den JurisfiktionAgenten in ruheloser Tätigkeit erfüllt. Bei dem Versuch, die Absichten des Autors und die Erwartungen und Fähigkeiten des Lesers und der Leserin mit den bürokratischen und größtenteils sinnlosen Richtlinien des GattungsRats zu versöhnen, sind die Agenten meist ganz auf sich allein gestellt und müssen sich auf

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