Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
Vom Netzwerk:
sind anderen Gattungen zugeteilt worden.«
    Alles gähnte, und einige Agenten verloren jedes Interesse. Die Einteilung nach Gattungen war eine jener langweiligen-aber-wichtigen Veranstaltungen, die zwar das Buch selbst nicht veränderten, die aber dazu führen konnten, dass es völlig anders behandelt wurde. Man musste neuerdings immer wissen, zu welcher Gattung ein Buch gehörte, und wenn es womöglich zu mehr als einer Gattung gehörte, konnte das große Probleme erzeugen. Gehorsam griffen wir zu unseren Notizblocks, als Bradshaw mit seiner Liste begann.
    »Erich von Dänikens Erinnerungen an die Zukunft gehört jetzt zur fiktionalen Literatur«, verkündete Bradshaw. Er machte eine Pause, damit wir mitschreiben konnten. »Orwells 1984 gehört jetzt zu den historischen Romanen. Vonneguts Die Sirenen des Titan ist keine Science-Fiction mehr, sondern Philosophie.«
    Der Ansicht war ich schon lange gewesen.
    »Die Gattung Pornografie ist endgültig aufgelöst worden. Fanny Hill und Moll Flanders gehören jetzt zur Frauenliteratur und Lady Chatterley’s Lover kommt in die Gartenabteilung.«
    Wir schrieben sorgfältig mit.
    » Tom Jones ist jetzt eine romantische Komödie, und Die Geschichte der O und Lolita gehören zur Maso-Klassik und zur klassischen Pädophilie. Unabhängig davon wird Orwells Farm der Tiere in die Abteilung Tiergeschichten und Schullektüre gestellt. Die Zugehörigkeit zur allegorischen und zur politischen Literatur bleibt davon unberührt.«
    »Vier Genres schlecht, zwei Genres gut«, murmelte Mr Fainset.
    »Wie bitte?«
    »Ach, nichts.«
    »Gut«, sagte Bradshaw und strich sich über den weißen Schnauzbart. »Tagesordnungspunkt fünf. Sämtliche Werke von Jane Austen sind zurzeit unten in der Werkstatt zur Inspektion. Die außenländischen Leser haben wir alle auf eine Kassettenausgabe des Buchklubs umgeleitet. Ich möchte, dass dort jemand Streife geht, bis die Originale wieder bereitstehen. Wer meldet sich freiwillig?«
    »Ich mache es gern«, sagte ich.
    »Sie sind mit der Lehrlingsbetreuung beschäftigt. Sonst jemand?«
    Lady Margaret Cavendish hob ihre Hand. Obwohl sie heute als fiktionale Figur galt, war sie einmal durchaus real gewesen. Als Herzogin von Newcastle hatte sie sich im 17. Jahrhundert intensiv mit Lyrik, Frauenfragen und dem Erregen von Aufmerksamkeit beschäftigt. Zur literarischen Figur war sie erst durch einige unfaire Biografien geworden, die sie in die Arme der Jurisfiktion getrieben hatten. Dort erwies sie sich besonders auf dem Gebiet der Lyrik, vor der die meisten anderen Agenten zurückschreckten, als unersetzliche Fachkraft.
    »Was genau soll ich tun?«, fragte sie.
    »Nichts Besonderes – machen Sie nur deutlich, dass wir anwesend sind und die Dinge im Auge behalten, damit nicht irgendjemand auf dumme Gedanken kommt und irgendwas eigenmächtig zu ändern versucht.«
    Lady Cavendish zuckte die Achseln und nickte.
    »Tagesordnungspunkt sechs«, sagte Bradshaw. »Fallende Leserzahlen.«
    Über seine dünne Brille hinweg warf er uns einen vielsagenden Blick zu. Wir alle kannten das Problem, betrachteten es aber mehr als einen Systemfehler, dem man auf der Ebene des einzelnen Buches nur sehr bedingt begegnen konnte.
    »Der AllgemeineLeseIndex (ALX) ist schon wieder gesunken, und zwar den 1.782ten Tag in Folge. Natürlich gibt es Bücher, die immer gelesen werden, aber leider müssen wir feststellen, dass manche weniger prominente Klassiker und auch viele neuere Romane oft wochenlang nicht mehr geöffnet werden. Die TextZentrale befürchtet, dass gelangweilte Figuren aus weniger gelesenen Romanen auswandern und Arbeit in Klassikern und Bestsellern suchen könnten, was unvermeidlich zu sozialen Spannungen führen würde.«
    Wir wurden sehr still. Die Bewohner der BuchWelt sind ein nervöses Völkchen, und es brauchte nicht viel, um einen Aufruhr hervorzurufen.
    »Ich kann gegenwärtig noch nicht viel dazu sagen«, erklärte Bradshaw, »weil es sich nur um ein mögliches Risiko handelt. Aber wir müssen die Sache im Auge behalten. Das Letzte, was wir jetzt brauchen können, ist ein Haufen frustrierter Romanfiguren, die beim GattungsRat aufmarschieren und Mindestleserzahlen verlangen. Okay, Tagesordnungspunkt sieben: Ausbildung neuer Agenten. Der Prozentsatz von Bewerbern, die es schaffen, volle JurisfiktionAgenten zu werden, liegt gegenwärtig nur noch bei acht Prozent. Ich will nicht behaupten, dass wir unsere Maßstäbe senken sollen, aber Senator Jobsworth hat gedroht,

Weitere Kostenlose Bücher