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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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aufgebaut werden sollte, die nur den direkten Befehlen des GattungsRats unterstand, aber das wurde entschieden bestritten.
    »Mrs Danvers?«, sagte Thursday5, die gerade eine Anleitung zum Teeblätterlesen studierte. »In meinem Buch gibt es auch ein oder zwei, aber ich dachte immer, die gehören da hin.«
    »Gibt es irgendwas in der BuchWelt, was dich besonders interessiert?«, fragte ich.
    »Na ja«, sagte sie nach einer Pause. »Ich wäre gern mal in einem Text, der gerade mündlich vorgetragen wird. Bei einem Wettbewerb oder so.«
    »Um Himmels willen«, sagte ich. »Das kommt überhaupt nicht infrage. Bei diesen Gelegenheiten sind die Autoren so aufgeregt, dass sie ein Aneurysma bekommen, wenn auch nur ein Buchstabe schief steht. Wenn ich dich je in der Nähe von so was erwische, wirst du für immer im Großen Samuel-Pepys-Fiasko eingesperrt.«
    »Und wie ist es bei einem Poetry-Slam?«
    »Das ist ja noch schlimmer. Da findet eine irre Gefühlsvergrößerung statt. Da wird jede Regung zum Sturm aufgeblasen, und man findet Dinge heraus, die man niemals über sich wissen wollte. Wir sagen manchmal: In einem guten Buch kann man sich verlieren, aber in einem Gedicht, da kann man sich finden. Es ist so ähnlich, als ob man sich in betrunkenem Zustand beobachtet.«
    »Aha«, sagte sie.
    Es entstand eine Pause.
    »Bist du schon mal betrunken gewesen?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Glauben Sie, ich sollte es jetzt mal versuchen?«
    »Es wird stark überschätzt.«
    Erneut entstand eine Pause. Ich wusste wirklich nicht, was ich mit dieser naiven Auszubildenden anfangen sollte. Dann hatte ich eine Idee.
    »Bist du je im GattungsRat gewesen?«, fragte ich.
    »Nee.«
    »Das ist eine bedauerliche Wissenslücke. Da werden wir jetzt als Erstes hinfahren.«
    Ich zog mein mobiles Fußnotofon aus der Tasche, um zu sehen, wo mein Taxi geblieben war. Aber Thursday5 verstand sowieso nicht recht, wozu ich eins brauchte. Wie die meisten Bewohner der BuchWelt hatte sie keinerlei Probleme, in Bücher zu springen, in denen sie schon einmal gewesen war. Mein interfiktionales Buchspringen war zwar zwanzigmal besser als mein transfiktionales, aber neuerdings war meine Beweglichkeit doch etwas eingeschränkt. Ich brauchte einen ganzen Absatz, um ein bestimmtes Buch zu erreichen, und wenn ich mein Jurisfiktion-ReiseBuch nicht bei mir hatte, musste ich ein Taxi nehmen oder einen Umweg über die Große Bibliothek machen. Und die Taxis waren sehr knapp.
    »Können wir nicht einfach springen?«, sagte Thursday5 mit ärgerlicher Direktheit.
    »Ihr jungen Dinger habt es immer so eilig«, erwiderte ich. »Es ist viel würdevoller, wenn man zu Fuß geht, und man sieht auch mehr von der Landschaft. Andererseits«, fügte ich zähneknirschend hinzu, »wenn es kein Taxi gibt, müssen wir eben springen.«
    Ich zog mein ReiseBuch heraus, schlug die entsprechende Seite auf und sprang aus Verstand und Gefühl direkt in die Große Bibliothek.

6.
    Die Große Bibliothek und der GattungsRat
    Das Textsieb wurde von JurisTech, dem technologischen Arm der Jurisfiktion, entwickelt. Es ist ein ungeheuer nützliches, wenn auch in seiner Funktionsweise noch kaum untersuchtes Gerät, das es dem Benutzer erlaubt, einen Text auf spezielle Elemente hin durchzusieben. Mit seinen unendlich vielen Einstellungen erlaubt es ein Textsieb, entweder ein ganzes Buch grob zurückzuweisen oder aus einem Roman von fünfhundert Erzählsträngen ganz behutsam einen einzigen spinnwebfeinen herauszulösen.
    Ich stand in einem langen holzgetäfelten Raum voller Bücherregale, die vom Boden bis fast zur gewölbten Decke hinaufreichten. Der Teppich zeigte ein elegantes geometrisches Muster, und die Decke war mit Stuckaturen geschmückt, die Szenen aus den Klassikern zeigten. Auf den Simsen standen Marmorbüsten berühmter Autoren. Hoch über mir befanden sich in regelmäßigen Abständen runde Öffnungen, durch die das Licht hereinströmte. Es spiegelte sich im dunkel glänzenden Holz der Paneele, was die ernste Atmosphäre der Bibliothek noch verstärkte. In der Mitte des Raumes stand eine Reihe von Lesetischen und auf jedem der Tische eine Messinglampe mit grünem Schirm. Die Bibliothek erschien endlos, in beiden Richtungen versank der Raum in Dunkelheit ohne erkennbare Grenzen.
    Ich hatte die Große Bibliothek zum ersten Mal vor sechzehn Jahren betreten, und die Beschreibung hatte sich nicht um ein Komma verändert. Meilenlang erstreckten sich die Regale, die nicht nur

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