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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Schultertasche. »Wir müssen jetzt los. Bleib dicht bei mir und tu genau, was ich sage – auch wenn du Grammasiten töten musst. Entweder sie oder wir!«
    »Sie oder wir«, wiederholte Thursdays brav und warf sich ihre Stofftasche über die Schulter. Ich hielt noch einen Augenblick inne und starrte auf meinen Tisch. Die Aktenstapel sahen irgendwie anders aus.
    »Thursday?«, fragte ich misstrauisch. »Hast du schon wieder Feng-Shui auf meinem Schreibtisch gemacht?«
    »Es war mehr eine Harmonisierung «, sagte sie kleinlaut.
    »Lass das gefälligst!«
    »Warum denn nicht?«
    »Herrje ... lass es einfach, okay?«

5.
    Ein reger Tag
    Für Unvorsichtige war die BuchWelt ein Minenfeld, deshalb war eine strenge Ausbildung nötig. Wir hatten mehr Agenten durch ungenügendes Training verloren als durch Grammasiten. Ein falscher Schritt in der Welt der Literatur, und ein unerfahrener Rekrut konnte durch Druckfehler, Konjugationen oder andere Risiken grausam zu Text gemacht werden. Meine Lehrerin war die erste Miss Havisham gewesen, und ich bin fest überzeugt, dass es ihre kluge Anleitung war, die mich so lange überleben ließ. Viele Rekruten schafften das nicht. Die durchschnittliche Lebenserwartung für einen Anfänger in der BuchWelt betrug nur siebenundvierzig Kapitel.
    Wir traten unter der Kolonnade des alten Herrenhauses hervor und genossen die Wärme der Sonne. Die Handlung hatte Norland Park längst verlassen und war mit der Familie Dashwood nach Devon gezogen, so dass dieser Winkel von Verstand und Gefühl vollkommen ruhig und unbenutzt war. Auf der einen Seite lehnte ein gesatteltes Pferd gemütlich an einem Baum, während ein Jagdhund vor ihm auf dem Boden saß. Vögel zwitscherten in den Bäumen, und die Wolken bewegten sich langsam über den Himmel. Die Wolken waren natürlich alle gleich, und die Sonne wanderte auch nicht über den Himmel wie zu Hause in Swindon. Wenn man genauer hinhörte, merkte man zudem, dass der Gesang der Vögel in einer Endlosschleife von achtundzwanzig Sekunden verlief. Das alles entsprach der so genannten »erzählerischen Ökonomie«, wonach nur ein Minimum an Aufwand betrieben werden durfte, um eine Szenerie zu schaffen. So war die BuchWelt nun einmal: wohlgeordnet und ohne die verschwenderische Vielfalt der wirklichen Welt.
    Wir setzten uns auf die Balustrade und warteten auf das Taxi. Ich dachte an meinen kahlen Dodo, an Fridays Termin bei der ChronoGarde, an die Rückkehr von Felix8 und die Lügen, die ich Landen seit so vielen Jahren erzählte. Thursday5 hatte keine solchen Probleme – sie las das Horoskop in der führenden Tageszeitung der BuchWelt: The Word.
    Nach einer Weile sagte sie: »Heute ist mein Geburtstag.«
    »Ich weiß.«
    »Sie wissen das? Woher?«
    »Mach dir keine Gedanken deswegen.«
    »Darf ich Ihnen mein Horoskop vorlesen? Wenn heute Ihr Geburtstag ist, können Sie mit vermehrtem Posteingang rechnen. Seien Sie auf Geschenke, Glückwünsche und die eine oder andere Überraschung gefasst. Kuchen nicht ausgeschlossen. Das ist wirklich eigenartig. Ich frage mich, ob irgendwas davon wirklich passiert.«
    »Keine Ahnung. Ist dir aufgefallen, wie viele Mrs Danvers in letzter Zeit hier herumwandern?«
    Ich erwähnte das, weil an diesem Tag auch in Norland Park welche aufgetaucht waren. Sie wurden immer häufiger in allen belletristischen Büchern, wo sie außer Sicht der Leser herumlungerten und jeden, der sie ansprach, mit bösen Blicken bedachten. Der Überschuss an diesen Figuren war leicht zu erklären: Ein starker Charakter wie Mrs Danvers war ein fatales Vorbild für die vielen Rohlinge oder Romanfiguren-im-Wartestand ohne Geschlecht und besondere Charaktereigenschaften, die in der BuchWelt ausgebildet wurden, um später zu neuen Figuren zu werden oder ältere zu ersetzen, wenn diese ausgetauscht werden mussten. Nur allzu gern passten sich die Rohlinge solchen Vorbildern an, wenn sie in ihre Nähe kamen. So waren von den sechstausend Rohlingen, die eine Ausbildung in Rebecca gemacht hatten, nur acht keine Mrs Danvers geworden. Die unheimliche Haushälterin übte eine magische Anziehungskraft auf die charakterlosen Rohlinge aus. Da der Bedarf an gruseligen Haushälterinnen in letzter Zeit aber nicht mehr so groß ist, wurden die überschüssigen Mrs Danvers bald als Schnalle Ayngrayftrupe gegen den Myspeling Vyrus und als Bereitschaftspolizei eingesetzt. Wir von der Jurisfiktion machten uns deshalb allmählich Sorgen, ob hier nicht eine neue Geheimpolizei

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