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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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jedes Buch, sondern auch jede Ausgabe all dieser Bücher enthielten. Alles, was in der realen Welt je gedruckt worden war, hatte eine Entsprechung in diesen endlosen Gängen.
    Thursday5 war schon vor mir gelandet. Gemeinsam gingen wir zur zentralen Kreuzung in der Mitte der Bibliothek. Dort befand sich eine kreisrunde Öffnung mit einem schmiedeeisernen Geländer und einer Wendeltreppe. Wir spähten hinunter und sahen weitere Stockwerke, die weit in die Tiefe hinabreichten. Über uns war es genauso.
    »Sechsundzwanzig Stockwerke für die veröffentlichten Bücher«, sagte Thursday5, als ich sie fragend ansah, »und sechsundzwanzig Stockwerke unter der Erde, in denen die Bücher zusammengebaut werden.«
    Nun immerhin, das schien sie zu wissen. Ich führte sie zum Lift, der hinter einem schmiedeeisernen Gitter versteckt war, und drückte den Knopf. Der Aufzug kam und wir stiegen ein. Ich schloss das heftig rasselnde Gitter, und der jaulende Motor zog uns aufwärts. Da es nicht allzu viele Autoren mit Q, X oder Z gibt, waren die Stockwerke siebzehn, vierundzwanzig und sechsundzwanzig relativ leer und konnten für andere Zwecke genutzt werden. Im siebzehnten Stock lag das Quartier der Schnallen Ayngrayftrupe, der vierundzwanzigste Stock wurde als Lagerhalle benutzt, und im sechsundzwanzigsten Stock residierte das gesetzgebende Organ der BuchWelt, der GattungsRat.
    Der sechsundzwanzigste Stock war gänzlich anders als die darunterliegenden. Anstelle der feierlichen Holzpaneele, der stuckgeschmückten Decken und der Büsten längst verstorbener Dichter gab es hier ein helles, luftiges Großraumbüro. Gusseiserne Säulen trugen ein filigranes Gewölbe aus Glas und eisernen Streben, durch das man den Himmel sah. Ich winkte Thursday5 zu einem großen Fenster auf der Seite der Halle. Ein paar Stühle und Sessel standen herum. Es war ein freundlicher Ort, an dem sich die hart arbeitenden Angestellten des GattungsRats gelegentlich ausruhen konnten. Vor beinahe sechzehn Jahren hatte ich mit meiner eigenen Ausbilderin, Miss Havisham, einmal hier gestanden.
    »Von draußen sieht die Große Bibliothek kleiner aus«, sagte Thursday5, während sie dem Regen zusah, der an den Außenmauern herablief.
    Sie hatte recht. Die Gänge in den unteren Stockwerken konnten in jeder Richtung bis zu zweihundert Meilen lang sein, aber von hier aus wirkte die Bibliothek eher wie das Chrysler Building, reichlich mit Stahlkunstwerken geschmückt, aber nicht länger und breiter als zweihundert Meter. Und obwohl wir nur im sechsundzwanzigsten Stock waren, wirkte das Gebäude viel höher. Ich war mal ganz oben im Goliath Tower in Goliathopolis gewesen, der hundertzwanzig Stockwerke hatte, aber die Bibliothek wirkte noch höher.
    »Was sind das da drüben für Türme?«, fragte sie und zeigte in den nebelverhangenen Wald hinaus, der sich zu unseren Füßen erstreckte.
    »Der nächste ist die deutsche Bibliothek«, sagte ich. »Dahinter die französische und die spanische, dann die arabische. Die da drüben ist übrigens für Walisisch.«
    »Oh«, sagte Thursdays und starrte über die Baumkronen.
    »Der GattungsRat sorgt für die fiktionalen Gesetze«, erläuterte ich, während wir den Korridor zum Großen Ratssaal hinuntergingen. Es herrschte jetzt wesentlich mehr Betrieb. Kanzleikräfte, Saaldiener und Beamte mit großen Stapeln von Protokollen, Berichten und Akten liefen geschäftig hin und her. Schon in der realen Welt fand ich die Bürokratie übertrieben, aber in der BuchWelt war sie noch schlimmer. Ich hatte im Lauf der Jahre begriffen, dass jede menschliche Aktivität von Anfang an mit Irrtümern, Unfug und Bürokratie durchsetzt ist, und die fiktionale Welt war genauso.
    »Der GattungsRat regelt die dramatischen Konventionen, kontrolliert die Verwendung von Ironie und legt den Wortgebrauch fest. Über das BuchInspektorat entscheidet er, welche Romane veröffentlicht werden und welche makuliert werden müssen.«
    Wir waren auf der Besuchergalerie angelangt. Der Große Ratssaal war eine hohe, mit weißem Marmor verkleidete Halle, dessen Kuppel von eisernen Säulen getragen wurde. Der Galerie gegenüber befand sich ein Podium, auf dem ein erhöhter, üppig geschmückter Sitz stand, der auf jeder Seite von vier kleineren Sesseln flankiert war. Für den jeweiligen Redner gab es ein Pult. Die Vertreter der verschiedenen Gattungen saßen unter uns im Halbkreis um das Podium herum. Die Rückwand des Saals war mit einem großen Mosaik geschmückt, das die

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