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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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uns zwangsweise neue Agenten zuzuweisen, wenn wir unser Rekrutierungsproblem nicht selbst lösen können, und das liegt natürlich überhaupt nicht in unserem Interesse.«
    Wir nickten zustimmend. Erst vor kurzem waren einige Lehrlinge durch besonders schwache Leistungen aufgefallen. Wir wollten zwar keinen Personalmangel, aber wir wollten erst recht nicht, dass Jurisfiktion von Volltrotteln überschwemmt wurde.
    »Aufgrund meiner Überzeugung, dass nur eine gute Ausbildung dazu führt, dass die Kandidaten ihre Prüfung bestehen«, sagte Bradshaw, »möchte ich Sie alle ermuntern, ein bisschen mehr Zeit in die Lehrlingsausbildung zu stecken.«
    Er legte das Klemmbrett beiseite.
    »Das war’s für heute. Was die Sicherheitsbestimmungen angeht, habe ich eine gute Nachricht für Sie: Die Bestimmungen dürfen Sie komplett ignorieren, bloß die Formulare müssen Sie ausfüllen. Viel Glück ... und seien Sie vorsichtig, wenn Sie da draußen sind!«
    Alle fingen an, sich zu unterhalten. Ich sagte Thursday5, sie solle bei meinem Tisch auf mich warten, und schob mich durch die Reihen, um noch ein paar Worte mit Bradshaw zu wechseln.
    »Sie wollten nicht, dass ich Ihnen über die Restaurierungsarbeiten bei Jane Austen berichte?«, fragte ich. »Gibt’s dafür einen besonderen Grund?«
    Bradshaw war genau so gekleidet, wie man es von einem weißen Großwildjäger erwarten durfte: Er trug einen khakifarbenen Safari-Anzug mit Tropenhelm und einen großen Revolver in einem Lederholster. Natürlich musste er schon lange nicht mehr so herumlaufen, aber er war nun mal ein Traditionalist.
    »Das war mehr ein Ablenkungsmanöver«, sagte er. »Ich möchte durchaus, dass Sie mal da reinschauen, aber es gibt noch etwas viel Wichtigeres, das Senator Jobsworth auf keinen Fall erfahren darf – jedenfalls jetzt noch nicht.«
    Senator Jobsworth war der Vorsitzende des GattungsRats und ein sehr mächtiger Mann. In der Jurisfiktion gab es eine Menge heikler politischer Fragen, und ich musste besonders vorsichtig sein. Besonders mit Jobsworth hatte ich bei vielen Diskussionen die Klingen gekreuzt. Da ich die einzige wirkliche Person in der BuchWelt war, wurde ich oft nach meiner Meinung gefragt, aber mein Rat war nicht immer willkommen.
    »Was soll ich tun?«
    Bradshaw rieb sich nachdenklich den Schnauzbart.
    »Wir haben Meldungen über eine Erscheinung, die wahrscheinlich transfiktional ist.«
    »Schon wieder?«
    Transfiktional wurden Dinge oder Personen genannt, die aus der wirklichen Welt, dem Außenland, kamen. Ich war natürlich transfiktional, aber meistens bezog sich der Begriff auf Dinge, die unerwartet aufgetaucht waren.
    Bradshaw gab mir einen Zettel mit einem Buchtitel. »Mir ist es lieber, wenn Sie das machen, weil Sie selbst eine Außenländerin sind. Ich schätze Frauen aus Fleisch und Blut. Ach, übrigens, wie macht sich denn Thursday5?«
    »Gar nicht«, erwiderte ich. »Ihre Zimperlichkeit wird sie noch umbringen. Gestern hatten wir einen Zusammenstoß mit einem Grammasiten in Herr der Fliegen. Statt ihn zu erledigen, hat sie ihn umarmt!«
    »Was für ein Typ war es denn?«
    »Ein Verbisoid!«
    »Intransitiv?«
    Ich schüttelte traurig den Kopf. »Natürlich nicht. Ditransitiv !«
    Bradshaw stieß einen Pfiff aus. Die Sache mit der Rekrutierung von neuen Agenten war ernst. Es gab zumindest drei völlig untaugliche Kandidaten, die uns Senator Jobsworth unbedingt für eine »Neubewertung« aufdrängen wollte.
    »Sie kann von Glück sagen, dass sie noch ein Verb im Körper hat«, sagte Bradshaw nach einer Pause. »Aber bitte geben Sie ihr die vollen drei Tage, ja? Wir müssen uns streng an die Regeln halten, damit sie uns nicht verklagt.«
    Ich versprach, sie nicht gleich zu feuern. Dann kehrte ich zu meinem Schreibtisch zurück, wo Thursdays in der Lotus-Position auf dem Boden saß. Ich blätterte kurz in den Akten, die sich auf meinem Tisch türmten. In einem leichtsinnigen Augenblick hatte ich mich bereit erklärt, die unerledigten Fälle der Jurisfiktion noch einmal anzusehen. Ich hatte gedacht, es seien nur drei oder vier, aber in Wirklichkeit waren es über hundert. Sie reichten von unberechenbaren HandlungsSchwankungen in der Gormenghast -Trilogie bis zum vorzeitigen, unerklärlichen Tod von Charles Dickens, der früher lange genug gelebt hatte, um Edwin Drood zu vollenden. Ich versuchte, so viel wie möglich zu klären, aber für das meiste hatte ich keine Zeit.
    »Gut«, sagte ich, zog meine Jacke an und griff nach meiner

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